Zeitzeugengespräch
Elisabeth Lütz besuchte Neuntklässler der Gesamtschule West
Hennef - Im Rahmen der Projektwoche lud Lehrerin Karin Müller-Winterhager
Elisabeth Lütz, die im Betreuten Wohnen im Helenstift wohnt, als
Zeitzeugin ein. Absicht der Veranstaltung war, den Jugendlichen der
Klasse 9d einen authentischen Eindruck vom Alltag im
Nationalsozialismus zu vermitteln.
Elisabeth Lütz (geb. 1931) war durch Heirat im Jahre 1954 von Lingen
(Emsland) nach Hennef-Dambroich gezogen. Ihren Mann hatte sie während
eines Urlaubs kennen- und lieben gelernt. Die Zeit des
Nationalsozialismus erlebte sie auf dem Bauernhof ihrer Familie in der
Nähe der holländischen Grenze. Da der Vater schon 1940 gefallen war,
mussten sie und ihre sechs Geschwister der Mutter auf dem Bauernhof
helfen, was ihr und ihren Geschwistern die verpflichtende Teilnahme
beim Bund Deutscher Mädchen (BDM) beziehungsweise in der Hitlerjugend
(HJ) ersparte.
Ein Schulbesuch war ihr nur bis zur 8. Klasse möglich, da die
häufigen Fliegeralarme Kinder und Lehrer immer wieder zur Flucht in
den Bunker zwangen, was zwangsläufig bewirkte, dass nicht so viel
Stoff gelernt und vermittelt werden konnte. Schon mit 14 Jahren erfuhr
sie am eigenen Leib, was es hieß, bei „Wasser und Brot“ im
„Bau“ zu sitzen. Sie hatte es auf der Straße versäumt, eine
Freundin mit „Heil Hitler“ zu grüßen, was diese zum Anlass nahm,
sie sofort zu denunzieren.
In der Schule, so erinnerte sich Elisabeth Lütz, drehte sich alles
nur um Hitler und seine Partei und die Prügelstrafe war ein beliebtes
Disziplinierungsmittel. Dennoch wurden auch schon einmal Streiche
gespielt oder ungehorsam Zettelchen durch den Klassenraum geworfen.
War man krank, kam jemand zu Hause vorbei um zu kontrollieren, ob man
wirklich krank war oder sich nur vor der Schule drückte.
Die Familie versteckte während des Krieges jüdische Nachbarn in
ihrem Keller und wusch holländischen Kriegsgefangenen, die ein Loch
im Zaun des benachbarten Kriegsgefangenenlagers gefunden hatten,
heimlich ihre Wäsche. Diese Aktion hätte die Familie beinahe selbst
um Kopf und Kragen gebracht, denn auf der Suche nach den Ausbrechern
wurde auch ihr Haus kontrolliert. Die Mutter versteckte die
Kriegsgefangenen geistesgegenwärtig unter dem Bett ihrer angeblich
sehr kranken und fiebrigen Kinder und rettete so die beiden
Holländer.
Gefragt nach den Medien ihrer Zeit, erzählte Elisabeth Lütz von
einem Volksempfänger, den ihre Mutter manchmal heimlich auf einen
holländischen Sender einstellte, um schon früher als andere über
herannahenden Fliegerstaffeln und drohende Bombenalarme Bescheid zu
wissen. In der Schule habe sie nur einige wenige Bücher gehabt und
kurz vor Kriegsende hätten die Amerikaner sie durch Flugblätter
über die Besetzung des Emslandes informiert.
Da in der Nachkriegszeit nur jede zehnte Familie Geld für ein Auto
gehabt habe, waren Fahrrad oder Bus das Verkehrsmittel, mit dem man
größere Strecken zurücklegen musste. Die knapp bemessene Freizeit
verbrachte man gemeinsam mit Gesellschaftsspielen. Mit 18 Jahren
durften junge Leute einen Tanzkurs besuchen und den Führerschein
konnten sie frühestens mit 21 Jahren machen.
Frau Lütz zeigte sich sehr erfreut, wie aufmerksam die Schüler
zugehört und wie interessiert sie nachgefragt hatten.
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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