Bezirksbürgermeister Andreas Hupke
„Die Demokratie darf nicht still stehen!"

Bezirksbürgermeister Andreas Hupke im Interview. | Foto: ha
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Der Kölner Wochenspiegel sprach mit Bezirksbürgermeister Andreas
Hupke über die soziale und politische Situation in der aktuellen
Krise

Welche Botschaft haben Sie für die Bürger in den Veedeln?
Zusammenhalten, besonnen sein und Rücksicht nehmen! Es geht um
körperliche, nicht um soziale Distanz.(ha). Der Kölner Wochenspiegel
sprach mit Bezirksbürgermeister Andreas Hupke über die soziale und
politische Situation in der aktuellen Krise.

Herr Hupke, wie geht es Ihnen?
Meine Stimmung war anfangs nicht so gut, weil ich mit viel Betätigung
in der Natur aufgewachsen bin. Diese befürchtete Einschränkung hat
mich zunächst sehr betroffen gemacht. Ich war zudem seelisch
angeschlagen, weil mich viele E-Mails erreicht haben, in denen
Menschen um Hilfe gebeten haben. Irgendwann habe ich gelernt, die
Krise realistisch einzuschätzen und mir vorgenommen, nicht den Kopf
in den Sand zu stecken.

Wie steht es um die politische Handlungsfähigkeit der
Bezirksvertretung?

Wir sind ein strukturelles Abbild vom Bundestag, vom Landtag und vom
Stadtrat. Wir haben keine gesetzgebende Gewalt, das heißt, keine
Legislative. In solchen Zeiten fehlt mir das. Man merkt ja, dass die
Verwaltung in dieser Krise Chef im Ring ist. Was ich vermisse, sind
neun dezentrale Krisenstäbe in Köln.

Könnte man sagen, dass die Bezirksvertretungen momentan
ausgehebelt sind?

Lassen Sie es mich so sagen: Was mich erschreckt hat, ist, dass sich
einige Kollegen kleiner machen als sie vom Gesetz her sind. Wir alle
kämpfen für stärkere Bezirke. Man muss gerade in diesen Krisen
hellwach sein und auf seinen Rechten bestehen. Ich befürchte jedoch
nicht, dass unsere Beschlüsse übergangen werden. Wenn die Verwaltung
ganz uneingeschränkt weiterarbeiten dürfte und wir nicht, dann
hätten wir kein Gleichgewicht der Kräfte mehr.

Wie arbeiten und kommunizieren Sie mit den Bezirksvertretern?
Das ist ein Nuancenunterschied. Wir machen das alles ja ehrenamtlich.
Wir haben eigentlich eine Feierabendtätigkeit nach 17 Uhr. Daher
läuft abseits der wichtigen Sitzungen zu 90 Prozent alles über
elektronische Mittel. Wenn jetzt etwas sehr dringend ist, treffe ich
mich mit einem Mitglied oder einer Bürgerin beziehungsweise einem
Bürger im freien Raum mit drei Metern Abstand und bespreche das.

Mit welchen Ängsten und Fragen treten die Bürger auf Sie zu?
Das sind überwiegend wirtschaftliche Ängste bei
Gaststätteninhabern, Fahrradhändlern, Initiativen, Vereinen oder
freien Theatern. Natürlich machen sich die Leute auch Gedanken über
die Schulen und die Gesundheit insgesamt.

Wie empfinden Sie das Verhalten der Stadt-Gesellschaft im Umgang
mit der Pandemie?

Anfangs hat es mich unheimlich gestört, wie ignorant viele Menschen
mit den Warnungen umgegangen sind. Als ich die vielen Gruppierungen am
Aachener Weiher sah, war das schon extrem deprimierend. Ich bin froh,
dass mittlerweile eine Bewusstseinsveränderung stattgefunden hat. Ich
konnte auch die Hamsterkäufe nicht begreifen. Wie die Leute sich
mittlerweile verhalten, zeigt ein hohes Maß von Zivilisation. Ich
möchte an dieser Stelle nicht verhehlen, dass Ministerpräsident
Laschet hier einen sehr guten Job mit einem effizienten Management
leistet. Das ist eine liebevolle Strenge, die die Demokratie wahrt.
Wenn die Kölnerinnen und Kölner in Notzeiten nicht so zusammen
gehalten hätten, dann gäbe es die Stadt gar nicht mehr. Dieser
Überlebenswille hat mich immer an dieser Metropole fasziniert. 

Wie sehen Sie die Zukunft der Lokalpolitik? 
Ich bin ein ganz entschiedener Verfechter des föderativen Staates. Es
sind genügend Gesetze da, um auf diese Lage zu reagieren.

Kommen sich in Zeiten herbeigesehnter Solidarität die
Bezirkspolitiker politisch näher?

Nein. Das fände ich auch falsch. Die Demokratie lebt ja auch von
ihrer Heterogenität. Aber wenn außergewöhnliche Umstände
herrschen, zieht man schon vermehrt an einem Strang im Dienste der
Sache. Aber inhaltlich haben wir da durchaus verschiedene Sichtweisen.

Im September stehen die Kommunalwahlen an.
Ich bin davon überzeugt, dass die Kommunalwahlen im September nicht
stattfinden werden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese extrem
beanspruchte Verwaltung eine Wahl organisieren kann.

Wie geht es weiter mit der Bezirksvertretung?
Telefon- oder Videokonferenzen können die real stattfindende
Demokratiepraktizierung nicht ersetzen und dürfen es auch nicht. Die
Demokratie darf aber auch nicht still stehen. Wir werden Formen
finden, um öffentlich tagen zu können. Das bedarf eines erheblich
größeren Raumes, wo man auf Abstand sitzt und auch Zuschauer zugegen
sein können. Live-Schaltungen über digitale Kanäle sind keine
Lösung. Außerdem möchten wir mit den Besuchern diskutieren können.
Das geht nicht virtuell.

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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