Am Wochenende geht‘s los
Guckt Köln nach Katar?

Foto: master1305/freepik / Montage: Kuffner
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Nun geht sie also los, die wohl umstrittenste Fußball- Weltmeisterschaft aller Zeiten. Am Sonntag empfängt Gastgeber Katar die ecuadorianische Nationalelf im Eröffnungsspiel. Am Mittwoch treffen Hansi Flicks Jungs dann mit Japan auf ihren ersten Gegner. Doch wie viele Handys, TV-Bildschirme oder Beamer werden dann in Köln eingeschaltet sein? Wer boykottiert, wer guckt, wer möchte gar mit andern gemeinsam mitfiebern – am liebsten in der Kneipe? Gerade Letzteres könnte in Köln mancherorts schwierig werden ...

von H. Bienert & A. Kuffner

Innenstadt. Es gibt viele Gründe, die das größte Fußballfest der Welt boykottwürdig machen und selbst dem hartgesottensten Fußball-Fan sauer aufstoßen müssen. Von der fragwürdigen Vergabe bis hin zur aktuellen Menschenrechtssituation in Katar dürfte jeder, der auch nur lückenhaft die Medienlandschaft verfolgt, bestens darüber informiert sein. Ganz von den trivialen Absurditäten zu schweigen, die eine Winter-WM in der Wüste mit sich bringen. Glühwein statt Grillen? Nieselregen statt Sommerabend? Zwischen zwei WM-Spielen zum Weihnachtsmarkt? Es will einfach nichts zusammenpassen.

Und dennoch wird es Fans geben, die sich das Turnier trotz alldem nicht nehmen lassen wollen. Wie viele es wirklich sind, werden in wenigen Tagen die ersten Einschaltquoten zeigen. Aber: Rudelgucken, wie es spätestens seit dem deutschen „Sommermärchen“ bei der WM 2006 (die übrigens laut erdrückender Indizien wohl ebenfalls durch Korruption zustande kam) Tradition ist, muss in Köln erst gesucht werden.

Bereits vor Monaten haben die ersten (Fußball-)Kneipen offiziell abgewunken und ihren Boykott der WM 2022 erklärt. In den vergangenen Wochen hat das in Köln eine regelrechte Welle nach sich gezogen und viele Lokale schlossen sich an. Alleine im Belgischen Viertel bleiben wohl in den meisten Kneipen die Bildschirme kalt. Die eine setzt nun während der WM mehr auf Livemusik, die andere zeigt vergangene WM-Partien der Deutschen Nationalelf oder veranstaltet Spieleabende.

Doch es gibt auch diejenigen, die ganz bewusst auf Fußball setzen, sei es aus finanziellen Gründen oder aus Überzeugung. Einige stehen dazu und fahren ihr Programm, wie sie es bei einer Sommer-WM in Europa gemacht hätten. Andere bleiben verhalten und zeigen Spiele nur, wenn keine kurzfristig gebuchte Weihnachtsfeier dazwischenkommt. Der Tenor ist jedoch meist wie folgt: Wir bieten nur die Plattform, der Kunde entscheidet letztlich selbst, ob er kommt oder nicht. Das gleiche gilt für die Bedienung der heimischen Fernbedienung: öffentlich-rechtliche Sender bieten beispielsweise ganze Programmreihen über die „WM der Schande“, übertragen anschließend dennoch die Spiele. Ob die Kölner das Angebot annehmen, wird sich in dieser Woche zeigen.

Und so sieht es die Kölner Gastro-Szene:

Philipp Treudt

„Wir werden dieser WM keinen Raum, keine Leinwand und keine Aufmerksamkeit geben, sondern sie konsequent boykottieren. Wir spielen nicht mit Menschenrechten!“
Philipp Treudt, „Zum scheuen Reh“, Hans-Böckler-Platz

„Wir hatten eigentlich vor, im Filos die Spiele zu zeigen. Wenn man konsequent wäre, müsste man die FIFA boykottieren, die die WM vergeben hat. Bei Katar weiß man doch eigentlich, woran man ist, ähnlich wie mit Russland oder China.
Jetzt haben wir die Situation, dass es keine große Begeisterung für die WM gibt und viele angekündigt haben, die Spiele gar nicht schauen zu wollen; gleichzeitig haben wir mehr Reservierungen für Weihnachtsfeiern in meinem Restaurant. Und beides passt einfach nicht zusammen.“
Costa Fotiadis, „Filos“, Merowingerstraße

„Wir werden die Spiele im Thekenbereich zeigen. Ohne Werbung, ohne Tippspiele und ohne unser eigentliches fußballerisches Herzblut. Aber wenn wir Gäste haben, die schauen möchten, sehen wir uns als Dienstleister und nicht als erhobenen Zeigefinger.“
Martin Schlüter, „Reissdorf am Hahnentor“, Hahnenstraße

Guido Bungart | Foto: Fabian Stuerz

„Die Grundwerte und das Menschenbild mit dem wir unsere Bar „die wohngemeinschaft“ betreiben, nämlich ein weltoffenes, tolerantes und solidarisches Wohnzimmer für Menschen aus der ganzen Welt zu sein, steht im direkten Kontrast zu dem korrupten, menschenverachtenden, diskriminierenden und Ressourcen vergeudenden System „Fifa WM in Katar“.
Guido Bungart, „die wohngemeinschaft“, Richard-Wagner-Straße

„Wir als Verband sehen dieses Turnier kritisch und halten es für eine fürchterliche Sache, eine WM zu dieser Jahreszeit in diesem Land abzuhalten, möchten aber unseren Mitgliedern nullkommanull vorschreiben, wie sie bzgl. einer Übertragung zu verfahren haben.“
Ein Sprecher der IG Kölner Gastro

„Wir sind eine Fußballkneipe und wir zeigen die Spiele. Je nach Auslastung was Weihnachtsfeiern angeht vielleicht nicht alle. Diese WM ist nicht das erste sportliche Großereignis, das in einem politisch nicht korrekten Land stattfindet – siehe die letzte WM in Russland oder die olympischen Spiele in China. Ich könnte mir einen totalen Boykott auch schlicht nicht leisten. Jeder Fan soll für sich selbst entscheiden, ob und wo er schaut – oder eben nicht.“
Ute Neumann, „Hemmer“, Subbelrather Straße

Redakteur/in:

EXPRESS - Die Woche - Redaktion aus Köln

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