Ein Besuch im Hänneschen-Theater
Hinger de Britz jeluurt
222 Jahre Hänneschen-Theater: Wenn das kein Grund ist, einmal hinter die Kulissen zu spinksen! Noch ist es still hinter der Bühne. Die Scheinwerfer sind ausgeschaltet und der Flügel ist abgedeckt. An den schwarzen Wänden stehen auf ihren langen Führungsstäben Hänneschen und Bärbelchen und die anderen Knollendorfer und warten auf ihren abendlichen Auftritt ...
von Angelika Stahl
Köln. Es ist eine ganz eigene Welt, die sich hinter dem roten Samtvorhang auftut. An der Britz, der mannshohen, hölzernen Balustrade, die den Zuschauerraum von der Bühne trennt, hängen DIN A4-Blätter. Auf dem Bühnenboden kleben farbige Klebestreifen zur Markierung für die Bühnenbildner. „Die Britz ist hydraulisch absenkbar und so ausgestaltet, dass Gegenstände, Puppen und Kulissen sowohl von oben nach unten und umgekehrt auftauchen und wieder verschwinden können“, erklärt Julia Glasner, die Pressesprecherin des Hänneschen-Theaters.
Durchschnittlich 70 bis 80 Puppen werden in einem Abendstück bespielt. Da während des Stückes keine Zeit ist, diese umzuziehen, müssen etwa mehrere Tünnes-Figuren mit verschiedenen Kostümen angefertigt werden. Sechs Musiker und 14 Schauspieler zählen zum Theaterensemble. Gleich neben dem Bühnenausgang führt ein schmaler Flur, vorbei an mannshohen Bühnenbildern und Requisiten, in die Werkstatt.
Dort hängt in langen Vitrinen säuberlich sortiert die Kleidung der Puppen. In den Wandregalen reiht sich ein kahler Puppenkopf an den anderen. Schäl gibt es gleich in mehreren Ausführungen mit dicken roten Beulen, böse schauend oder als alten Mann.
Die Puppengarderobe im hinteren Bereich der Werkstatt ist gefüllt mit Puppen und Puppenrümpfen. Manche tragen Kleider, andere sind nackt. „Wir haben circa 350 Puppenköpfe, 500 Puppenkörper und ungefähr 10 000 Kleidungsstücke in unserem Fundus“, erläutert Glasner. „Die Puppen sind zwischen 47 und 70 Zentimeter groß. Je nach Größe wiegen sie drei bis fünf Kilogramm.“ Auf einem großen Holztisch liegt, zwischen Werkzeug, Stoffen und Farbkästen, Zänkmanns Kätt und wartet darauf, wieder aufgearbeitet zu werden.
Die Körper und Köpfe der Figuren sind aus Lindenholz gefertigt. Ihre Gesichter werden mit Plaka-Farben gemalt. Damit auch die Zuschauer in der letzten Reihe des Theaters die Gesichtszüge gut sehen können, werden diese ganz deutlich und überzogen gemalt. „Durch den täglichen Gebrauch müssen die Gesichter immer mal wieder ausgebessert werden“, erzählt Glasner.
Das übernehmen Schauspielerin Silke Essert und ihre Kollegin Renate Vasen. Sie flicken auch die Löcher, die beim Fixieren der Perücken und Kleidung an den Puppen entstehen. Für das Einkleiden der Puppen und das Schneidern der Kleidung sind Esserts Kolleginnen Heike Huhmann und Almut Solzbacher zuständig. Hier sind eben die Puppen die Stars und nicht die Schauspieler.
Bald ist das Theater mit der „Wanderbritz“ unterwegs
„Das Besondere beim Hänneschen-Theater ist, dass fast alles selbst gemacht ist. Es wird nichts weggeworfen. Alles wird aufbewahrt und für das nächste Stück umgebaut oder umgestrichen“, sagt Glasner. Daher stapeln sich im Keller-Fundus des Theaters in meterlangen Regalen unzählige Requisiten. Darunter auch einige alte Stockpuppen, die seit Jahren nicht zum Einsatz gekommen sind.
Zum 222-jährigen Jubiläum öffnet das Hänneschen-Theater seine Türen und lädt am 24. und 25. August zu einem großen Theaterfest ein. „Im Oktober startet das Projekt Dornröschen auf Tour, darauf freue ich mich ganz besonders“, kündigt Intendatin Mareike Marx an. „Vier Puppenspieler und sechs Musiker des Gürzenich Orchesters werden dann in die Veedel gehen. Dafür wird extra eine Wanderbritz anfertigt.“ Dann gibt es ein eigenes Stück mit Schauspielern und Puppen im Schokoladenmuseum. „Ne Draum aus Schokolad“ heißt es und führt durch die gläserne Schokoladenfabrik.“
„Es ist mir wichtig, die Balance zwischen Tradition und Zeitgeschehen zu halten“, sagt Marx. „Das Hänneschen wird auch weiterhin immer etwas sticheln und den Finger in die Wunden legen. Denn das ist ja das Schöne an der Kunst, dass sie frei ist.“
Das Puppentheater ist ein Stück Kölner Kulturgut. Alle Stücke werden im kölschen Dialekt geschrieben und gespielt. Im Jahre 1802 ließ Theatergründer Johann Christoph Winters zum ersten Mal in der Lindgasse in der Altstadt die Holzpuppen über die Bühne tanzen. Nach dessen Tod übernahmen seine Enkelin und deren Ehemann das Theater.
Mit der Gründung einer Kommission zur Erhaltung der Puppenspiele öffnete das Theater 1926 seine Türen als Puppenspiele der Stadt Köln. 1938 zog die Bühne an den Eisenmarkt 2 bis 4. Das Hänneschen-Theater ist das größte Mundart Puppentheater in Westeuropa und eine der ältesten, festen Bühnen in Deutschland.
Redakteur/in:EXPRESS - Die Woche - Redaktion aus Köln |
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