Theater im Bauturm
Premiere von Michail Bulgakows „Das hündische Herz“
Innenstadt - (ha) Erbärmlich, verängstigt, gehetzt, getreten erscheint eine
Kreatur aus dem Keller, in der sich Unterwerfung wie Tollwütigkeit im
geduckten Dahinschleppen und gefährlichen Zucken um tropfende Lefzen
offenbaren. 80 laute, bleckende, blutende Minuten windet sich das
Geschöpf zwischen seinen barmherzig erscheinenden Gönnern, die mit
kühlen Klingen das Leben kappen, um in selbsternannter Göttlichkeit
neues Sein zu erschaffen. Doch „Das hündische Herz“ schlägt
weiter. In der Adaption von Michail Bulgakows Novelle aus dem Jahr
1925 setzt Regisseurin Kathrin Mayr in der aktuellen Produktion am
Theater im Bauturm (Aachener Straße 24-26) auf die vom Wahnsinn
beherrschten Körper der Protagonisten. In der Leidensgeschichte des
Straßenhundes „Lumpi“, der mittels eines chirurgischen Eingriffes
von Verjüngungsspezialist Professor Preobraschenski zum „Genossen
Lumpikow“ mutiert, stellt sich nicht nur die ethische Frage nach
vermessenem Schöpfertum, auch das Anderssein als Störfaktor in einer
Gesellschaft der Gleichförmigkeit sticht schmerzend hervor. Durch die
Transplantation der Hirnhangdrüse und der Hoden eines gerade
verstorbenen Menschen entwickelt das Tier eben jene ausgeprägten
charakteristischen Züge zwischen Geist und Trieb. Die auf das Wesen
bezogenen Erwartungen bleiben jedoch unerfüllt. Es fügt sich nicht.
Das Subjekt bleibt unbequem, scheinbar gefährlich und in der
Wahrnehmung unerwünscht unberechenbar.
Das Ensemble um Mario Neumann (Lumpi/ Genosse Lumpikow), Sascha
Tschorn (Filipp Filippowitsch Preobraschenski) und Pablo Konrad
(Assistenzarzt und weitere Rollen) hebt jede Bühnenrequisite durch
die äußerliche Vibration und den inneren Tumult ihrer Leiber auf.
„Das hündische Herz“ schlägt, jault … und reißt aus purer
Verzweiflung. Die sarkastischen Anspielungen des Autors auf das Ideal
eines neuen Menschen in der damaligen Sowjetunion und der Traum nach
einem makellosen Frankenstein finden mit Kahtrin Mayrs Inszenierung
eine Fortsetzung in die Gegenwart, wenn etwa fremde Kulturen auf
Argwohn treffen und Flüchtlinge verstärkt als potenzielle
Störfaktoren denn als hilfesuchende Menschen betrachtet werden.
„Das hündische Herz“ ist an folgeden Terminen zu sehen: 26. Mai
(19 Uhr), 27. Mai (18 Uhr), 10. Juni (18 Uhr), 11./ 28./ 29./ 30. Juni
(20) Infos unter www.theater-im-bauturm.de
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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