Von Köln aus in die Welt
So attraktiv ist Reisen mit dem Zug in Metropolen des Kontinents
Ob aus Überzeugung, aus ökologischen Aspekten oder einfach, um während der Reise mehr von Land und Leuten zu sehen, das Verreisen mit dem Zug kann eine Alternative zum Flugzeug oder Auto sein. Wie weit kommt man mit der Bahn, ohne auf Komfort zu verzichten?
von Serkan Gürlek
Köln. Bahnreisen hören sich nach Abenteuer, Erlebnis und Freiheit an. Doch andererseits stellt das Reisen mit dem Zug auch eine ökologische und gleichzeitig entspannte Form der Fortbewegung dar. Während man der vorbeiziehenden Landschaft am Fenster folgen kann, sammelt man Eindrücke, die man selten aus dem Gucklock einer Boeing oder Airbus zu Gesicht bekommt. Man ist sozusagen mittendrin.
Nachdem Köln im kürzlich präsentierten Nachtzug-Check des ADAC (EXPRESS – Die Woche berichtete) mit drei geprüften Verbindungen eher ein niederschmetterndes Ergebnis attestiert bekommen hat, galt es, den Blick zu heben und auch die Reisemöglichkeiten am Tag zu beleuchten. Auf die Frage, wohin man mit höchstens einem Umstieg von Köln aus auf der Schiene hinkommt, lieferte die Bahn eine lange Liste an erreichbaren Zielen.
Während sich viele deutsche Ziele wie Berlin (600 km, 4 Stunden Fahrzeit), Norddeich Mole (380 km, 4,5 h) oder das Ostseebad Binz (800 km, 8 h) ohne Umstieg mit Direktverbindungen erreichen lassen, gilt Gleiches auch für Ziele wie Amsterdam (300 km, 2,5 h), Basel (500 km, 4 h), Brüssel (2 h), Paris (480 km, 3,5 h) oder die österreichische Hauptstadt Wien (950 km, 9 h). Es ist möglich, fast jeden Fernbahnhof in Deutschland mit nur einem Umstieg von Köln aus zu erreichen. Das eröffnet eine Vielzahl von Reisemöglichkeiten ins europäische Ausland. So wird man nach rund fünfstündiger Zugfahrt und einem Umstieg mit einem britischen „Good morning“ in London begrüßt. Um ein „Bonjour“ im südfranzösischen Marseille zu hören, brauchen Reisende etwas mehr Geduld, hier endet die Fahrt nach gut acht Stunden. Ähnlich lang dauert es ins italienische Mailand oder in die tschechische Hauptstadt Prag.
Im polnischen Warschau steigen Reisende nach 10,5 Stunden aus. Einen längeren Atem und wahrscheinlich auch mehr Reiseproviant braucht man, um die Ziele Venedig (12 h) und Budapest (13 h) zu erreichen.
Verglichen mit der reinen Flugzeit, die man zu diesen Zielen benötigt, mag es zunächst abschreckend wirken. Addiert man jedoch die Zeit, die man vom Check-in am Flughafen bis zur Gepäckausgabe und dem Verlassen des Ziel-Flughafens braucht, relativiert sich die Differenz stark. Zudem liegen viele Bahnhöfe, im Gegensatz zu Flughäfen, im Herzen der Städte oder in ihrer unmittelbaren Nähe.
Subventioniertes Kerosin oder Billigflieger mit stark reduziertem Komfort sorgen für günstige Flugticketpreise, dem gegenüber stehen Frühbucher-Preise und BahnCard-Rabatte auf der Schiene. Ohne Vielfahrer-Karte und mit wenig Vorlauf sind die Bahnpreise meist deutlich höher als in der Luft.
Die Frage, warum die Bahn oft nicht als Alternative genutzt wird, lässt sich nicht abschließend beantworten, jedoch kämpft die Bahn mit Problemen wie Baustellen, Unpünktlichkeit und Ausfällen. Ein komplexes System wie die Bahn, das man sich aufgrund der vielen beinflussenden Faktoren wie ein großes, kompliziertes, mechanisches Uhrwerk vorstellen muss, ist sicherlich nicht einfach im Takt zu halten. So kamen in den Sommermonaten Juli und August dieses Jahres gerade einmal zwei Drittel der Fernzüge pünktlich am Zielbahnhof an. Im Juni betrug die sogenannte Reiseendpünktlichkeit nüchterne 55,3 Prozent. Als verspätet gilt dabei ein Zug, der mehr als 15 Minuten später am Ziel ankommt.
Das verärgert Reisende und Pendler zugleich. So verwundert die Reaktion von Prof. Klaus Groß, Pressesprecher vom Fahrgastverband ProBahn Rheinland, nicht, wenn er sagt: „Ruhigen Gewissens empfehlen kann man eine Fernverkehrsfahrt mit der Eisenbahn derzeit nur auf solchen Verbindungen, auf denen es Direktverbindungen gibt. Alles andere ist ein Vabanque-Spiel (Glücksspiel, Anm. d. Redaktion)!“ Zwar lobt er das theoretische Reiseangebot ab Köln, warnt jedoch, „selbst bei Direktverbindungen kann man sich nicht mehr darauf verlassen, dass der Zug sein Ziel wirklich erreicht und nicht wegen zu großer Verspätung vorher zurückgeschickt wird.“
Auch sein Kollege Lothar Elbers, Sprecher von Pro Bahn NRW, resümiert die Lage mit den Worten: „Die häufigen Baustellen führen oft zu drastischen Fahrzeitverlängerungen, wie zur Zeit Richtung Berlin (eine Stunde länger).“ Sein Fazit: „Auf einzelnen Rennstrecken, wie München, Berlin, ein gutes Angebot, für viele andere Ziele sind die Verbindungen quantitativ und qualitativ absolut nicht ausreichend.“ Für Menschen, die zeitlich ungebunden sind, können unfreiwillige Zwischenhalte durch Ausfälle auch zur Chance werden, weitere Orte zu erkunden. Familien auf dem Weg in den Urlaub werden damit aber eher nicht angesprochen.
Mit der Bahn zu den Hauptstädten Europas
Amsterdam: 260 km, 2h39
Andorra: 1340 km, 19h03
Athen: 2560 km, 43h53*
Belgrad: 1470 km, 27h41
Berlin: 570 km, 4h56
Bern: 580 km, 5h28
Bratislava: 980 km, 9h45
Brüssel: 210 km, 2h
Budapest: 1150 km, 11h20
Bukarest: 1970 km, 32h54
Chișinău: 2010 km, 44h49*
Dublin: 1170 km, 15h03*
Helsinki: 2160 km, 35h59*
Kopenhagen: 750 km, 11h01
Lissabon: 2220 km, 33h16
Ljubljana: 990 km, 13h38
London: 580 km, 5h05
Luxemburg: 190 km, 3h31
Madrid: 1760 km, 15h43
Monaco: 1120 km, 17h20
Oslo: 1230 km, 19h24*
Paris: 490 km, 3h22
Podgorica: 1770 km, 47h22*
Prag: 690 km, 8h22
Riga: 1770 km, 41h29*
Rom: 1400 km, 17h50
Sarajevo: 1480 km, 22h16*
San Marino: 1170 km, 14h30
Skopje: 1900 km, 19h28*
Sofia: 1860 km, 42h44*
Stockholm: 1410 km, 16h26*
Tallinn: 2070 km, 36h00*
Tirana: 1930 km, 27h05*
Vaduz: 630 km, 6h58
Vilnius: 1610 km, 24h20
Warschau: 1110 km, 10h32
Wien: 900 km, 8h33
Zagreb: 1080 km, 16h08
*beinhaltet teilweise auch Fahrten mit Bussen und Schiffen
Redakteur/in:EXPRESS - Die Woche - Redaktion aus Köln |
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