Experten schätzen ein
Was gegen den großen Bammel bei der Zeugnisausgabe wirklich hilft

Einige Schüler würden ihr Zeugnis am liebsten direkt zerreißen. | Foto: mpix-foto - stock.adobe.com

Am 7. Februar ist es wieder so weit: Tausende von Schülern erhalten ihr Zeugnis. Während sich einige darauf freuen, geht es vielen von ihnen am Ende des ersten Schulhalbjahrs alles andere als gut. Sie haben Angst, vor schlechten Noten, den damit verbundenen Reaktionen ihrer Eltern und Konsequenzen für die Zukunft. Nur: Wie gehen Familien am besten mit der Situation rund um die Zeugnisvergabe um?

von Alexander Büge

Köln. Bereits im Vorfeld der Zeugnisvergabe sind zahlreiche Schüler besonders angespannt. Bleiben sie dann hinter ihren eigenen Erwartungen oder denen ihrer Eltern zurück, ist die Enttäuschung oft riesig. Dementsprechend gilt es, sich schon vor dem Tag der Zeugnisvergabe mit dem Thema auseinanderzusetzen.

Was kann gegen die Angst getan werden?

Laut Experten hilft es, kontinuierlich mit Familienangehörigen, Freunden und Verwandten über die jeweiligen Sorgen zu sprechen. Dabei Druck auf das Kind aufzubauen, sei falsch. „Es gibt tatsächlich Schüler, die sich an diesem Tag nicht nach Hause trauen, da sie Angst haben, dass es großen Ärger gibt. Auch im Vorfeld verspüren sie schon einen großen Druck“, sagt Diplom-Psychologin Elisabeth Raffauf. „Deshalb ist es wichtig, auf das zu schauen, was die Kinder gut können, anstatt sich auf das Negative zu konzentrieren.“ Dies sei gerade dann nötig, wenn das Zeugnis nicht so gut ausgefallen ist wie vielleicht erwünscht.

Wie können Eltern helfen?

Das Verhalten der Eltern ist bei diesem sensiblen Thema von großer Bedeutung. Sie können enorm dazu beitragen, dass Ängste bei ihren Kindern gar nicht erst entstehen. „Kinder brauchen Eltern, die an sie glauben. Und zwar egal, in welcher Lebenslage“, rät Raffauf. „Denn dadurch entsteht nicht nur Vertrauen, sondern Kinder entwickeln so auch ihr Selbstvertrauen weiter.“ Im Falle eines schlechten Zeugnisses seien die Kinder schon schlecht genug drauf. Deswegen sollten Eltern nicht noch einen draufsetzen und auf dem Negativen rumreiten. „Vielmehr brauchen die Kinder in einem solchen Fall Trost“, sagt Raffauf. „Dabei kann es helfen, nicht über die Schule zu sprechen, sondern darüber, wie es dem Kind im Moment geht.“ Oft gebe es Gründe, warum Kinder keinen Kopf haben, um für die Schule zu lernen. Sie hätten andere Sorgen, die sie beschäftigen. „Deswegen ist es extrem wichtig, dass die Eltern einen guten Kontakt zu ihrem Kind haben und sehen, was es tatsächlich bewegt.“

Welche Rolle spielen Lehrer?

Auch Lehrer können dazu beitragen, dass ihre Schüler seltener Ängste entwickeln. Eine faire Beurteilung sowie genaue Blicke auf die jeweiligen Individuen seien dabei entscheidend. „Lehrer sollten vermitteln, dass Noten nicht das Wichtigste sind und keinen zusätzlichen Druck aufbauen“, sagt Raffauf. „Wenn sie merken, dass ein Kind Probleme hat, können sie es darauf hin ansprechen oder gemeinsam mit den Eltern nach Lösungen suchen.“

Wie hoch sollten die Erwartungen sein?

Angemessen. Wenn ein Kind beispielsweise Probleme mit Mathe hat, ist es unangebracht, bei der nächsten Arbeit die Note eins zu verlangen. Vielmehr sollte eine kontinuierliche Steigerung wertgeschätzt werden. Dementsprechend sollte auch die eigene Erwartungshaltung des Kinders eingeschätzt werden, beispielsweise bei einem gemeinsamen Gespräch. Dabei gilt es auch, die Bedeutung von Noten einzuschätzen, die weniger wichtig seien als gute Charaktereigenschaften. Raffauf: „Wer eine schlechte Note geschrieben hat, ist deshalb noch längst kein schlechter Mensch.“

Machen Belohnungen Sinn?

Sie schaden nicht. Vielmehr können kleine Belohnungen durchaus ein Anreiz dafür sein, um mehr zu lernen oder die Leistung zu steigern. Gemeinsam Zeit zu verbringen, etwas zu unternehmen oder ein Eis essen zu gehen, kann also nach einer erfolgreichen Arbeit oder einem guten Zeugnis ein Ansatz sein. Übertriebene Belohnungen wie ein neues Handy oder Ähnliches sehen Experten hingegen kritisch.

Wann sind Bestrafungen angebracht?

Im Prinzip nie. Kinder und auch Jugendliche fühlen sich mit ihrer schlechten Note oder einem unzufriedenstellenden Zeugnis schon schlecht genug. Eine zusätzliche Bestrafung wäre demoralisierend. Gemeinsam in Ruhe nach Lösungen und Verbesserungsmöglichkeiten zu suchen, ist laut Experten ein Weg, der deutlich erfolgversprechender ist.

Redakteur/in:

EXPRESS - Die Woche - Redaktion aus Köln

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