100 Jahre Schützen in Biesfeld
Wie sich Traditionen in etwas Modernes wandelt
Kürten (rog). Wer viele Majestäten sehen wollte, hatte beim Schützenumzug in Biesfeld die beste Gelegenheit: Die St. Sebastianus Schützenbruderschaft Biesfeld feierte ihr 100-jähriges Bestehen. Der Zug durch das Dorf leitete den Höhepunkt des Festes, die Krönungsfeier auf dem Schützenplatz ein. Der große Hofstaat liegt fest in der Hand der Familie Steinkrüger. Schon mehrmals hat sich ein Mitglied dieser Familie in der Vereinschronik verewigt. Dieses Mal sind es Anna-Lena als neue Schützenkönigin, ihr Bruder Max als neuer Jungschützenprinz sowie ihre Mutter Marita, die Brudermeisterin bzw. Vorsitzende des Vereins ist. Generell ist bei den Biesfelder Schützen vielfach bereits die dritte oder vierte Generation Steinkrüger aktiv. Außerdem sind mit Til Schmidt ein Schülerprinz und mit Mia Müller eine Bambiniprinzessin neu in Amt und Würden. Das Bambinischießen mit Lasergewehr auf einen virtuellen Vogel gibt es erst seit 2023. „Wir freuen uns, schon unsere Jüngsten für unser Brauchtum zu begeistern“, sagt die Brudermeisterin. Beeindruckt zeigte sich auch Jenny Wegner, die das Bürgervogelschießen für sich entscheiden konnte: „Ich hatte nur auf den Schwanz gezielt – nun bin ich Bürgerschützenkönigin!“ Sie war mit dem Theater- und Maiverein Eikamp da.
Bürgermeister Willi Heider meinte, dass Tradition gepaart mit einem lebendigen Vereinsleben bemerkenswert sei: „Ein Schützenfest ist eine gemeinsame Zeit für Nachbarn, Freunde und Bekannte, die den Zusammenhalt im Dorf stärkt.“ Landrat Stephan Santelmann hob hervor, wie die Begegnung von Generationen eine Gemeinschaft bereichern könne: „Sie verbinden Werte und Bräuche, kirchliche Arbeit und kulturelles Erbe, auf praktische Weise im Alltag, indem sie beispielsweise gemeinsam Hecken pflanzen, Sitzbänke errichten oder den Kirchhof pflastern.“
Als Schirmherr hatte sich NRW-Innenminister Herbert Reul unter die Menge gemischt. Er brach eine Lanze für die Schützen generell und sagte: „Ein Schützenverein ist moderner denn je!“ Hier würden Werte wie Freiheit, Toleranz, Gemeinschaft und Demokratie aktiv gelebt. „Was brauche ich soziale Medien, wenn ich hier echte Menschen treffen kann!“
Seine Worte entstauben das Wort „Schützenbruderschaft“, mit dem sich Assoziationen wie Schusswaffen, alte Flaggen, Damen in langen Röcken und Uniformen verbinden. Längst ist aus der historischen Bürgerwehr des Mittelalters mit militärischem Hintergrund ein offenes Vereinswesen mit sozialem Engagement geworden und auch wenn es heute noch „Bruderschaft“ heißt, sind in Biesfeld bereits seit 1992 Frauen und Mädchen dabei. Seit dem Jahr 2000 hat es immer mal wieder eine Schützenkönigin gegeben. 1924, kurz nach dem ersten Weltkrieg, hatten sich in Biesfeld gleich zwei Schützenvereine begründet. Glücklicherweise vereinigten sie sich bald zur St. Sebastianus Schützenbruderschaft. Die rund 50 Männer der ersten Stunde, denen schnell weitere folgten, widmeten sich der Aufgabe, sich in den harten Nachkriegsjahren gegenseitig Beistand und Kraft zu geben. Wie wichtig damals eine Vereinsfahne war, sieht man daran, dass sie die erste große Anschaffung war; noch vor den Schützenjacken, für die das Geld erst in den 1950er Jahren reichte. Zum 100-jährigen Jubiläum ist dieses Zeitzeugnis deshalb frisch restauriert worden.
Im Wandel der Schützengilden zu bürgerlichen Vereinigungen wuchs die Rolle der Kirche mit ihrer wichtigen Rolle im Staat. So wählten die Biesfelder den heiligen Sebastian zum Patron. Folglich ist der örtliche Pastor ihr geistlicher Beistand. Pastor Harald Fischer ist seit 2004 in Kürten. Er nicht nur Präses der Bruderschaft, sondern auch Bezirkspräses „Bergische Heimat“ (Bärbroich-Herkenrath, Biesfeld, Rösrath) und für sein Engagement vom Bund der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften gerade erneut ausgezeichnet worden.
Die enge Verbundenheit der Biesfelder Schützen zur Kirche zeigt sich daran, wie sie sich einbringen: Sie haben den Kirchhof gepflastert, stellen den Weihnachtsbaum auf, begleiten Prozessionen und Kommunionkinder; die Jungschützen besuchen das Altersheim. Schon immer haben alle mit angepackt: Während anfangs in den Sälen der Gastwirte geschossen und gefeiert wurde, ist 1954 zum 30-jährigen Bestehen ein eigener Schießstand eingeweiht worden. 2003/4 haben die Schützen in Eigenregie einen neuen Schützenplatz gebaut: 2.000 Quadratmeter Fläche, Vordach, gepflasterte Zuwegung, Hochstand. 2007 haben sie ihren Schützenkeller erweitert, einschließlich neuem Schießstand und Küche – und waren in nur sieben Monaten fertig! 2012 haben sie unter dem Parkplatz-Vordach eine Lagerhalle installiert. Seit Corona findet das Schützenfest unter freiem Himmel statt: Die mobile Bühne, der große Bierpavillon, Stehtische sowie Sonnenschirme und Zelte haben sich bewährt.
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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