Julius-Kraft-Preis verliehen
Auch mal was schief lassen
Nümbrecht/Niederelben - Von Jürgen Sommer
Ein zugewachsenes Grundstück, darauf ein teilweise marodes
Fachwerkhaus von neun mal 18 Metern Grundfläche, erbaut 1809,
leerstehend und auf Grund des Zustandes nicht bewohnbar! Ein
Traumhaus! So sah es jedenfalls das Ehepaar Sylvia und Michael
Hanisch, als sie sich 2009 entschlossen dieses Haus zu erwerben.
Die ersten Schritte waren schnell erledigt: Freischneiden, leerräumen
und einen Architekten beauftragen den Kostenrahmen für eine
Restaurierung festzuschreiben.
Der Schock kam ebenfalls sehr schnell: 900 000 Euro sollte die
Komplettsanierung kosten. 18 Monate passierte auf dem Grundstück
danach nichts mehr.
Umso intensiver arbeitete es in den Köpfen der stolzen Besitzer.
Fehlendes Kapital musste ersetzt werden durch kluges Verhandeln mit
Handwerkern, durch Eigenleistung und unerschütterlichen Idealismus.
Die Hanischs nahmen Kontakt auf zu Maurern, Zimmerleuten und
Dachdeckern, die sich mit alten Handwerksmethoden auskannten, aber
auch Heizungsbauer mit modernen Konzepten waren gefragte
Gesprächspartner. Heute, neun Jahre später bewohnt das Ehepaar mit
ihren drei kleinen Kindern das durchrestaurierte Haus.
Verbaut - und das lässt einen erstaunen - wurde lediglich ein Viertel
der ursprünglich kalkulierten Bausumme. Das alles wohlgelungen ist,
davon überzeugte sich kürzlich eine Jury, die sich aus Fachleuten
der seit 40 Jahren bestehenden „Interessengemeinschaft Bauernhaus“
(IgB) zusammensetzt.
Anlass des Besuches war die Übergabe des „Julius-Kraft-Preis“ der
IgB, den der Bundesvorsitzende Hajo Meiborg zusammen mit 1500 Euro den
Hanischs überreichte.
Ganz nach dem Motto der IgB „ preiswert und nachhaltig zu
restaurieren“, sei in Niederelbeben gehandelt worden, betonte auch
die Hamburger Restauratorin Caroline Weiss in ihrer Laudatio.
„Man muss dabei auch mal etwas schief lassen“, so die Meinung der
Fachfrau. Bei der Begehung des Hauses waren allerdings nur die alten,
teilweise verkleideten Deckenbalken durchgehangen und da hieß es auch
schon mal:
„Bitte den Kopf einziehen!“. Der Fußboden war begradigt, ebenso
die Wände, in die eine moderne Heizung eingebaut wurde. Die alten,
kleinen Fenster sind überarbeitet und im Original verblieben, was
allerdings eine Doppelverglasung ausschloss.
Über den alten Dachstuhl, der funktionslos erhalten blieb, wurde ein
neues Balkenwerk gezimmert und das Dach wieder mit den Originalziegeln
gedeckt. Das große Abenteuer ihres Lebens haben die Hanischs
allerdings erst dann hinter sich gebracht, wenn die alte Scheune auf
dem Grundstück ebenfalls wieder in altem Glanz erstrahlt.
Auch am Haus warten noch „Kleinigkeiten“ auf fleißige Hände.
Stolz sind die Hanischs aber besonders darauf, einem Architekten ein
Schnippchen geschlagen zu haben, denn der wollte die „verfallene
Hütte“ abreißen und das Grundstück neu bebauen.
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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