Gedenkfeier auf dem jüdischen Friedhof
„Jetzt hin und nicht wegschauen“
Nümbrecht. Die Gemeinde, die Freundeskreise Wiehl – Jokneam und Nümbrecht – Mateh Yehuda sowie die Oberbergische Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (CJZ) hatten am 9. November zu einer Gedenkfeier zum 84. Jahrestag der Reichskristallnacht an der Gedenkstätte neben dem jüdischen Friedhof eingeladen.
Damit sollte an die Novemberpogrome erinnert werden, bei denen Geschäfte, Wohnhäuser, Synagogen und Friedhöfe durch das nationalsozialistische Regime systematisch zerstört und geschändet wurden. Gleichzeitig sei sie eine Mahnung, damit sich ein solches Unrecht niemals mehr wiederholt.
„Dieser schreckliche Tag war zwar nicht der Beginn, aber ein martialisches Zeichen der Tötung von sechs Millionen Juden“, sagte Bürgermeister Hilko Redenius, der die Gedenkfeier eröffnete, zu den rund 150 Besuchern. „Als wir im vorigen Jahr an dieser Stelle standen, gab es noch keinen Angriffskrieg gegen die Ukraine“, betonte Redenius. „Es ist unsere Aufgabe, auf alle Formen des Krieges hinzuweisen, den Frieden zu erhalten und wieder herzustellen.“
In seiner Ansprache an forderte Michael Braun, Superintendent des Kirchenkreises „An der Agger“, jetzt hin- und nicht wegzusehen:
„Wer genau hinsieht, schaut irgendwann auch auf sich selbst und die eigenen Sünden.“ So sei 1945 auch das „Stuttgarter Schuldbekenntnis“, eine Erklärung der evangelischen Christen in Deutschland, entstanden:
„Wir klagen uns an, dass wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nicht brennender geliebt haben.“
Auch Luther habe sich im Laufe seiner Entwicklung „mit brutaler, unerträglicher Rhetorik“ offen gegen jüdische Menschen gewandt - Äußerungen, die heute als Sünde zurückgewiesen werden müssen. Auch daraus resultiere der Auftrag zum Hinschauen, um es zukünftig besser zu machen. Nach dem Zweiten Weltkrieg habe sich gezeigt, dass Völkerversöhnung über Begegnung und Kontakte gelingen kann:
„Wo man einander sieht und sich kennenlernt, schwindet die Bereitschaft zu Gewalt und Hass und es entsteht Freundschaft.“
Nach ihren Wortbeiträgen mit Erinnerungen an ein jüdisches Mütterchen in Gummersbach und einem Gedicht von Mascha Kaléko betonten die Oberstufenschüler des Waldbröler Hollenberg-Gymnasiums, wie wichtig es sei, besonders auch das Andenken oberbergischen Juden zu wahren. Vor einer Psalm-Lesung sagte Judith Steinhart-Dürr, Vorsitzende des Freundeskreises Wiehl-Jokneam: „Wir ziehen keinen Schlussstrich unter die Shoa, denn die Erinnerung dient uns als Mahnung.“
Bevor Pfarrerin Silke Molnár mit eindrücklichen Worten zum Gedenken aufrief, kniete sie vor der Kranzniederlegung durch Peter Tillmann und Nadine Friederichs von der CJZ vor der Gedenktafel und berührte die Platte mit der Hand. Danach las Marion Reinecke, Vizevorsitzende der CJZ, das „Kaddisch“. Sie erläuterte, dass dieses Gebet an Todes- oder Gedenktagen gesprochen werde: „Es ist ein Erinnerungsgebet, verbunden mit einem Lob Gottes.“
Im Anschluss lud CJZ-Vorsitzender Frank Bohlscheid zu einer Konzertlesung in die benachbarte Heilig-Geist-Kirche ein. Dort las er abwechselnd mit Norbert Michels, Geschäftsführer des Kölner Diözesanrates, aus einer Biografie von Anne Frank und den Aufzeichnungen KZ-Überlebender: „Fragt uns – wir sind die letzten.“
Begleitet wurden die nachdenklich stimmenden Texte mit Klezmermusik von Bernd Spehl auf der Klarinette und Georg Brinkmann am Akkordeon.
Freie/r Redaktionsmitarbeiter/in:Michael Kupper aus Reichshof |
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