Vernissage
Von Vergänglichkeit und Neubeginn

Barbara Stewen aus Lindlar vor ihrem Werk „Es ist angerichtet“ im Nümbrechter Haus der Künste. | Foto: Michael Kupper
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  • Barbara Stewen aus Lindlar vor ihrem Werk „Es ist angerichtet“ im Nümbrechter Haus der Künste.
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Nümbrecht - Andreas Gryphius gilt als großer Dichter des Barockzeitalters. 1616
im niederschlesischen Glogau geboren und dort im Alter von nur 47
Jahren auch gestorben, hat er sich durch seine sprachgewaltigen
Sonette den Ruf als einer der bedeutendsten Lyriker dieser Ära
erworben.

Grund genug, seinem Sonett „Es ist alles eitel“ aus dem Jahre 1637
eine Ausstellung zu widmen, die zur Zeit im Haus der Künste in
Nümbrecht zu besichtigen ist. Birgit Ludwig-Weber, Vorsitzende des
Kunstvereins Nümbrecht, erläuterte bei der Vernissage, dass sich 35
Kunstschaffende vom „Arbeitskreis der Künstler“ aus Bergisch
Gladbach dieser Thematik angenommen und aus ihrer individuellen Sicht
Ausdruck verliehen haben.

„Im 17. Jahrhundert bedeutete Eitelkeit leerer Schein,
Vergeblichkeit und vor allem die Vergänglichkeit alles Irdischen“,
erklärt die Kulturjournalistin und Vorsitzende des Arbeitskreises
Gisela Schwarz aus Bergisch Gladbach in ihrem Grußwort. Sie zitiert
den Beginn des Sonetts, in dem nach Zeiten des Niedergangs wieder
Neues erblüht: „Du siehst, wohin du siehst, nur Eitelkeit auf
Erden. Was dieser heute baut, reißt jener morgen ein: Wo jetzt noch
Städte stehn, wird eine Wiese sein, auf der ein Schäferskind wird
spielen mit den Herden.“ Sie verdeutlicht, dass der Verfasser diese
Verse unter dem Eindruck von Tod, Pest und Hungersnöten des
dreißigjährigen Krieges formuliert habe, der ihn bis zu seinem 32.
Lebensjahr begleitete.

Schwarz sieht auch fast 400 Jahre später noch eine überraschende
Aktualität des Gedichtes in Zeiten gesellschaftspolitischer
Umbrüche. Die Ausstellung stelle den Versuch einer künstlerischen
Bestandsaufnahme dar, um die Menschen zu Reflexionen zu bewegen. Als
Projektleiterin sei sie froh, die vielgestaltigen Werke der Gladbacher
von Malerei und Fotografie über Plastiken und Collagen bis hin zu
einer Raum-Installation von Daphna Koll, die das Werden und Vergehen
aus unterschiedlichsten Perspektiven beleuchten, in Nümbrecht
präsentieren zu können: „In diesen Räumen steht die Kunst im
Vordergrund und die Architektur drängt sich nicht auf!“

Mahnend wirkt die mit Erde gefüllte Bleitasche von Maria
Schätzmüller-Lukas „Die Erde ist meine Mutter – ich werde zur
Erde“ oder das Diptychon (zweiteiliges Relief) „Klimawandel I +
II“ von Verena Kupper, das auch den Ausstellungskatalog ziert. Wie
in dem Gedicht finden sich in den Arbeiten jedoch nicht nur Aspekte
des Niedergangs, sondern verbinden sich auch mit Hoffnung spendenden
Zeichen des Neubeginns.

Gisela Schwarz kombiniert in ihrer Collage „ÜBER leben“ Aspekte
der Überflussgesellschaft vor einem Berg von Rostasche, der wie ein
jungfräulich beschneiter Gipfel erscheint. Barbara Stewen erzeugt mit
„Es ist angerichtet“ einen phänomenalen Kontrast durch ihr Foto
aus dem Innern eines verfallenden Wohnhauses in Polen mit einem
Fensterblick auf ein sonnendurchflutetes, frühsommergrünes
Getreidefeld, in das sie malerisch einen „Beobachter“ integriert
hat.

Grandios wirkt auch die Arbeit der 91-jährigen Gerda Heudorf „Fall
und Aufstieg“, in der sie den Splitterbruch eines gefällten
Kirschbaums in Szene setzt und in „Dreilinden“ zeigt Gastkünstler
Boris Becker die Macht der Natur auf einem ehemaligen Checkpoint der
DDR, die von Menschenhand gemachte Grenzen rigoros zurückfordert.

Mit ihrer beeindruckenden Performance „timeless“ interpretiert die
Bensberger Tänzerin Christiane Budden den Zyklus des Lebens: Aus dem
Nichts entsteht das Neue, wächst und gedeiht bis zu einem
schwungvollen Höhenflug, auf den der allmähliche Niedergang folgt.
Begleitet wird sie auf dem Lebensbogen von einem Akustik-Ensemble, das
mit Regen, Bachplätschern und Meeresbrandung sowohl den Kreislauf des
Wassers als auch dessen lebensspendende und zugleich zerstörerische
Kraft in ein akustisches Gemälde fasst. Birgit Ludwig-Weber
resümierte: „Eine besondere Performance zu einer besonderen
Ausstellung!“

Die Kunstwerke sind mittwochs bis freitags von 16 bis 18 Uhr, samstags
und sonntags von 15 bis 18 Uhr noch bis zum 26. Mai zu sehen. Der
Eintritt ist frei.

Weitere Bilder

www.lokalanzeiger.de

- Michael Kupper

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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