Ein Paradies für Meisen
Meisenpaare ziehen ihre Jungen in alten Telefonkästen auf ...
Reichshof - Vierzehn Jahre ist es her, dass der letzte Zapfenstreich in der
Reichshofkaserne in Wildbergerhütte ertönte und der damalige
Oberleutnant die Tore ein letztes Mal schloss. Seither blieb das 42
Hektar große Bundeswehrareal mit seinen vielen Kasernengebäuden und
Bunkern ungenutzt. Mittlerweile ist es Naturschutzgebiet und die
Entscheidung, ob nun rund 5 Hektar davon für den Betrieb einer
forensischen Klinik genutzt werden oder nicht steht immer noch aus.
Bürgerinitiativen und Gemeinde machen sich stark für den Naturschutz
und gegen den Bau der Klinik. Doch was geschieht mit Bauwerken,
Straßen und Energieversorgungsleitungen, die so viele Jahre ungenutzt
bleiben? Die Natur holt sich Stück für Stück zurück. Doch leider
ist es nicht nur die Natur, die an Mauern und Asphalt nagt, weiß
Bruno Quast von der Sicherheitsfirma Stölting zu berichten.
Tagtäglich ist er im Einsatz und geht auf Patrouille auch zu
nächtlichen Zeiten. Mehrfach verschafften sich Jugendliche Zugang zu
den Gebäuden und zerschlugen Inneneinrichtungen, Sanitäranlagen,
Fenster und Türen. Aber auch Profis waren schon am Werk, weiß Quast
zu berichten. Ganze Banden von Kupferdieben bedienten sich an
wertvollen Stromversorgungsleitungen.
Nach dem sich Jugendliche an Scherben schwer verletzt hatten begann
für den Sicherheitsmann die Aufgabe, sich um das Areal zu kümmern
und er lässt sich einiges einfallen. Mit einer Kamera überwacht er
prägnante Punkte aber auch seine Hunde kommen wenn’s nötig ist zum
Einsatz. Sein Telefon hält er ständig griffbereit. Innerhalb von
Minuten sei im Bedarfsfalle die Polizei vor Ort, betont Quast. Doch
auf den Höhen Reichshofs gibt es nicht nur die Eindrücke vergangener
Kriegs- und Verteidigungsbereitschaft oder mutwilliger Randale. D
ie Natur zeigt sich hier von ihrer sanften aber bestimmenden Seite.
Sie holt sich zurück, was ihr gehört. Was einst das
Nachrichtensystem der Kaserne war, ist heute Heimat zahlreicher
nistender Vögel. Einfallsreich und fürsorglich zeigt sich der
Wachmann auch hier. In die zwölf ehemaligen Telefonkästen schnitt er
einfach ein Loch. Die kleinen Meisen ließen sich nicht lange bitten
und bezogen zehn der Kästen, um ihre Brut darin großzuziehen.
Dort bekommt „twittern“ eine ganz neue Bedeutung. Regengeschützt
und geräumig polsterten die Meisen ihre neuen Behausungen mit Moos
und Tierhaaren aus. Seither zwitschern pro Nest fünf bis sieben
Meisenbabys nach ihrer Mama. In der 18 Meter hohen Halle, die einst
als Trocknungsraum für Zeltplanen diente machen es sich heute die
Rehe im kühlen Schatten gemütlich.
Fast wäre auch diese Halle einem Brandanschlag zum Opfer gefallen,
der schwarz verkohlte Türstock zeugt heute noch davon. An einer
schweren Kette ziehend öffnet Bruno Quast ein monströses Eisentor zu
einem der Bunker. Alle seien Richtung Tal ausgerichtet, damit sie im
Falle einer Explosion nicht den ganzen Berg zersprengen. Heute sind
sie Lagerstätte für das Heu der Landwirte, Streusalzvorräte der
Gemeinde oder Stauraum für den NABU. Friedlich scheint es dort oben
wo das Kasernentor die Grenze zwischen NRW und Rheinlandpfalz
markiert. Bis sich entschieden hat, wie lange der Frieden dort oben
noch währt, wird sich Bruno Quast weiter um die Sicherheit, die
Ordnung und das Wohlergehen seiner Meisenfamilien kümmern.
Unabhängig davon, ob die Forensische Klinik gebaut wird oder nicht,
das Naturschutzgebiet und auch die Bunker werden bleiben.
- Nadja Schwendemann
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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