Dylan & Cars
Was der Literaturnobelpreisträger Bob Dylan der Automobilindustrie rät

Bergisch Gladbach - Der Singer-Songwriter Bob Dylan erhielt vor kurzem den
Literaturnobelpreis für seine Musik und lyrischen Texte. Wenig
bekannt ist, dass Dylan sich in seinem Lebenswerk auch intensiv mit
der Zukunft des Autos und der Automobilindustrie beschäftigt hat. Er
hat dem Thema Autoverkehr nicht nur ganze Alben gewidmet, wie etwa
eines seiner Hauptwerke „Highway 61 Revisited“. Vielmehr
beschäftigte er sich auch während seiner gesamten Schaffenszeit in
vielen Songs mit verschiedenen Aspekten von Individualmobilität und
der automobilen Freiheit (Motorpsycho Nitemare“, 1964). Und hat für
die Akteure der Autobranche zudem noch einige interessante Ratschläge
parat. Aber der Reihe nach.

Bereits seine ersten Alben thematisieren die amerikanischen Highways
und deren manchmal gefährdete Freiheit, die zu Stimmungstiefs führen
können (Highway 51 Blues; Bob Dylan 1962). Im ersten Song seines
berühmten Albums von 1963 fragt Dylan denn auch gleich in der ersten
Zeile in
Anspielung auf das Auto, wie lange ein Mann entwürdigend die Straßen
(zu Fuß) entlanggehen muss, bevor man ihm seine wahre Männlichkeit
zurückgibt („How many roads must a man walk down, before you call
him a man“ (Blowin‘ in the wind). Er weist auf dem gleichen Album
mit dem
wunderbaren Song „A Hard Rain’s A-Gonna Fall“ auf den Wind und
Regen der Schnellstraßen hin und plädiert indirekt für das
schützende, fahrende Wohnzimmer („Down the Highway“). Für Dylan
ist Automobilität Freiheit und Erlösung zugleich, das zeigt der
letzte Song „I shall be free“ dieses Mega-
Albums „Freewheelin‘“, dessen Titel ja bereits die Vision des
autonomen Fahrens klar thematisiert.

Natürlich hält das Album ‚Highway 61 Revisited‘ massenhaft
Anspielungen auf die Automobilindustrie bereit. Dylan geht gerade im
Album Highway 61 dabei hart mit der Automobilindustrie ins Gericht und
thematisiert die vielen Unfalltoten, rund 35.000 im letzten Jahr
allein auf den US-Straßen, die Gott scheinbar befiehlt: “Where do
you want this killin’ done? God says, ‚Out on Highway 61‘”.

 Das Thema „Wandel und Wandlungsfähigkeit in der
Automobilindustrie ist ein wiederkehrendes Motiv von Dylan. Er hat
früh gesehen, dass sich auch die Autobranche nicht gesellschaftlichen
Strömungen, Technologien und Wünschen widersetzen darf, wenn diese
überleben möchte. Lange Zeit wurde auf die 100-jährige Technologie
des Verbrennungsmotors, in Europa insbesondere des Diesels gesetzt.
Dylan stellt klar, dass die Party vorbei ist: „It’s All Over Now,
Baby Blue“ heißt der bekannte Song, und er empfiehlt darin den
Apologeten der alten Welt unmissverständlich den geordneten Rückzug:
„You must leave now, take what you need, your think will last. But
what ever you wish to keep, you’d better grab it fast“ – es wird
eben schwierig werden, das Alte zu behalten. „It’s All Over Now,
Baby Blue“ ist wohl auch Dylans Replik auf die End-of-Pipe
Technologien, die versuchen den Verbrennungsmotor durch immer
komplexere und teurere Abgasreinigungen (Ad Blue) doch noch zu retten.

Dylan ist geradezu darüber empört, dass die Autoindustrie ethische
Grenzen überschritten hat („Don’t think twice it’s alright“)
und entzieht ihr in manchen Songs zeitweise seine Freundschaft („You
got a lotta nerve, to say you are my friend“, Positively 4th
Street). Insbesondere, weil das Vertrauen, etwa im Zuge der
Abgasaffäre sträflich missbraucht wurde und in Europa nicht einmal
ein symbolischer Schadensersatz für emotional gepeinigte Autokäufer
mit Umweltgewissen angeboten wird. Er ruft die Verantwortlichen zum
emotionalen Perspektivwechsel auf: „I wish that for just one time,
you could stand inside my shoes. You’d know what a drag it is to see
you“ (ebd.).

Notwendig ist jedoch zunächst, Fehlentwicklungen der Vergangenheit
einzugestehen und zu korrigieren, solange die Städte durch die
Abgaswolken noch nicht ganz dunkel sind („Not Dark Yet“, Time out
of Mind, 1997). Eindeutig ist seine Antwort auf die Frage, ob die
gesamte Automobilindustrie Verantwortung für den Abgasskandal trägt:
„The answer is blowing in the wind!“, ruft er mit einem seiner
bekanntesten Titel. Es kann also nicht sein, dass die Abgasgrenzwerte
nur auf dem Prüfstand eingehalten werden und nicht auf der Straße.

Aber in der Abgas- und Dieselaffäre liegt auch eine Chance auf
Wandel: So beschreibt er im Lied „Love Minus Zero/ No Limit“
treffend: „There’s no success like failure, but failure‘s no
success at all“ (Ein Satz, den ich im Übrigen auch meinen Studenten
gerne als Trost nach einer durchgefallenen Prüfung mit auf den Weg
gebe.). Frei übersetzt: Es gibt kaum einen größeren Erfolg als
jener grandios zu scheitern. Die Branche wisse jetzt, dass es so mit
der Dieseltechnologie nicht weitergeht. Die Party ist vorbei:
„It’s all over now, Baby Blue“, singt Dylan.

Wandel ist immer schwierig - auch das weiß Bob Dylan

Er ruft in fast jedem Konzert gerade vor dem Hintergrund der
Versäumnisse und der anstehenden Herausforderungen eines Wandels der
Antriebstechnologie hin zum E-Auto der Automobilindustrie zu:
„You’d better start swimmin‘ or you sink like a stone – „for
the times they are a-changin‘“. Ihm ist klar: Die Hersteller, die
sich mit dem Verbrennungsmotor an die Spitze der Branche gesetzt
haben, können bei diesem Transformationsprozess künftig zu den
großen Verlierern zählen: „And the first one now, will later be
last“. Jeder sollte bei diesem Wandel mitmachen („…as the
present now will 

later be past“), wenn er nicht unter die Räder kommen möchte:
„And it’s he who gets hurt, will be he who has stalled“
(„Times They Are A-Changin‘“), so die Botschaft an die
Verweigerer des Wandels bei Herstellern, Zulieferern und in der
Politik.

Wie schwer für die Protogonisten und auch das Publikum der Wandel und
die Transformation in das elektrische Zeitalter ist, davon kann Bob
Dylan buchstäblich ein Lied singen. Er selbst hat auf dem ersten
Höhepunkt seiner Karriere das konventionelle Gerät (Akustikgitarre)
durch das elektrische
ersetzt. Das war 1965, und es hat ihm zunächst viele Buhrufe seines
bisherigen Publikums eingebracht. Der Übergang zur E-Mobilität, das
weiß Dylan, wird auch bei vielen bisherigen Kunden der
Automobilhersteller nicht nur zur Freude beitragen, sondern viel
Ärger und Verwirrung verursachen. Aber es gibt eben kein zurück,
„no direction home“, wenn die Steine erst einmal ins Rollen
kommen. Und im Refrain von ebendiesem Song „Like a Rolling Stone“,
der im Übrigen vom Rolling Stone Magazin 2004 zum besten Song aller
Zeiten gekürt wurde, fragt Dylan sinnbildlich die Branche wie es sich
anfühlt, (mit der neuen Technologie) ganz alleine zu sein, ohne
Heimat, wie ein Unbekannter, wie ein rollender Stein. Dylan weiß,
dass wenn ein Stein einmal ins Rollen gekommen ist, der Ausgang
völlig ungewiss ist.

Die Zeiten des Wandels bewirken nicht selten bei den Protagonisten
eine seltsam wissende Aporie („Because something is happening here,
but you don’t know what it is, Do you, Mister Jones?“, Ballad of a
Thin Man, 1965). E-Mobilität, Digitalisierung, Autonomes Fahren und
Mobilitätsdienstleistungen führen zu radikalen Veränderungen des
Geschäftsmodells. Dabei können
die alten Spieler unter die automobilen Räder kommen, neue dafür in
die Arena treten. Diese Spieler, wie derzeit Tesla, Uber u.a. kommen
mit neue Ideen und tragen nicht an der technologischen Last der
Vergangenheit. Sie sollten sehr ernst genommen werden, denn sie haben
wenig oder nichts zu verlieren, „if you ain’t got nothing, you got
nothing to lose“ („Like a Rolling Stone“). Am Anfang werden sie
jedoch häufig ignoriert, dann werden sie lächerlich gemacht, dann
erklärt, dass sie nichts Neues anzubieten hätten. Und danach ist es
für die etablierten Spieler manchmal schon zu spät. Aber
im Grunde machen die neuen Akteure das gleiche wie die früheren
Pioniere der jetzt etablierten Unternehmen, die plötzlich an die
automobile Tür klopfen. Dylan: „The vagabond whose rapping at your
door, is standing in the clothes that you once wore“ („It’s all
over now, Baby Blue“)

Die alten Symbole der Macht, die für die neue Zeit nicht mehr
gebraucht werden, müssen abgelegt werden. Da sollten die
Konzernmütter doch helfen. Dylan: „Mama, take this badge off o' me
/'cause I can't use it anymore/It's gettin' dark, too dark to see/ I
feel like I'm knockin' on Heaven's door (Knockin' on Heaven's door).
Es ist eben wie ein Klopfen an die Himmelstür: Neue
Organisationsformen werden gebraucht, um es mit den neuen Akteuren in
der neuen Zeit aufnehmen zu können. Die alten hierarchischen
Strukturen und die früheren Verbündeten helfen jetzt häufig nicht
mehr weiter. Viele haben ohnehin sogar bereits gepackt und sind
gegangen („The
lover who just walked out your door/ Has taken all his blankets from
the floor“). Dylan’s Rat für die die Autoindustrie: „Strike
another match, go start anew/ And it's all over now, Baby Blue“.

Sollte die Automobilbranche den Rat von Dylan befolgen? „The answer
my friend, is blowing in the wind, the answer is blowing in the
wind.“  

- Stefan Bratzel

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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