Schnelle Hilfe für Familien
50 Jahre Erziehungs-beratungsstelle
Sankt Augustin. Seit 1973 unterstützt die Familien- und Erziehungsberatungsstelle der Stadt Sankt Augustin Eltern, Kinder und Jugendliche bei der Klärung und Bewältigung individueller oder familienbezogener Probleme.
Unsere Lebenswelt ändert sich rasant und tiefgreifend. Das verunsichert viele Menschen, besonders Eltern und pädagogische Fachkräfte in ihrem Erziehungsverhalten, aber auch die Kinder und Jugendlichen selbst. Die Problemlagen und Schwierigkeiten, mit denen die Klienten in die Beratungsstelle kommen, werden komplexer und schwieriger, nicht zuletzt durch die Jahre der Pandemie, die Flutkatastrophe und den Angriffskrieg gegen die Ukraine.
Der Geburtstag in diesem Jahr wird mit verschiedenen Aktionen gefeiert. Kürzlich haben die Fachkräfte der Beratungsstelle die Arbeitsweise, die Formen der Kontaktaufnahme, aber auch die beraterischen, therapeutischen Instrumente in Form von kurzen themenspezifischen Präsentationen den Mitgliedern des Stadtrates und des Jugendhilfeausschusses sowie den Schulleitungen und den pädagogischen Fachkräften der Kindertageseinrichtungen vorgestellt.
Erziehungsberatung zählt zu den ältesten Formen institutioneller Beratung. Sie war zu Beginn oft eine private Initiative aus dem medizinischen Bereich. Die für die Jugendhilfe zuständige Ministerkonferenz setzte 1973 einheitliche Richtlinien zur Förderung von Beratungsstellen fest. Mit Inkrafttreten des Sozialgesetzbuches VIII (SGB VIII) im Jahr 1991 wurde der Rechtsanspruch von Eltern auf Beratung festgeschrieben. Der Ratsbeschluss zur Gründung einer Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche wurde im November 1972 gefällt. Eine Psychologin begann Anfang 1973 mit der Arbeit. Damit war der Grundstein für die erste Beratungsstelle im Rhein-Sieg Kreis gelegt. Im Laufe des ersten Jahres wuchs die Beratungsstelle schnell. In den Jahren 1975 bis 1991 lag die Trägerschaft der Beratungsstelle beim Rhein-Sieg-Kreis und wechselte dann wieder zur Stadt Sankt Augustin.
Familien- und Erziehungsberatung bedient die Schnittfläche zwischen Jugendhilfe, Bildungsbereich, medizinischer Versorgung und den Familiengerichten. Aufgabe der Familienberatungsstellen ist es Kinder, Jugendliche, Eltern und andere Erziehungsberechtigte bei der Klärung und Bewältigung individueller und familienbezogener Probleme und der zugrunde liegenden Faktoren, bei Erziehungsfragen sowie bei Trennung und Scheidung zu unterstützen und zu beraten. Ziel ist es, die Elternkompetenz zu stärken und mit den Familienmitgliedern gemeinsam individuell passende Lösungswege für ihre familiären und individuellen Anliegen zu entwickeln.
Gründe für den Beratungsbedarf reichen von allgemeinen Fragen zur Erziehung über Verhaltensauffälligkeiten in Schule oder Kindertagesstätte, psychosomatische und psychiatrische Auffälligkeiten, bis zu sexuellem Missbrauch und Misshandlung. Auch Beratungen bei persönlichen Krisen, bei Trennung und Scheidung, von Alleinerziehenden sowie Stief- und Pflegefamilien nehmen immer mehr Raum ein. Darüber hinaus ist die Beratungsstelle mit Fachvorträgen, Elternabenden, Sprechstunden in Schulen und Kindertagestätten und Gruppenangebote präventiv tätig. Für pädagogische Fachkräfte bietet sie Coaching, Supervision und Fortbildungen an.
Seit dem 1. Juli 2022 ist die Familienberatungsstelle auch Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt bei Kindern und Jugendlichen. Das gesamte Angebot ist für die Ratsuchenden kostenlos und freiwillig. Die Beratungskräfte unterliegen der Schweigepflicht. Es besteht ein Rechtsanspruch auf Beratung. Anders als sonst in der Jugendhilfe muss kein Antrag gestellt werden, somit ist die Schwelle des Zugangs sehr niedrig. Wenn sich Fachkräfte in Schulen oder Kindertagesstätten Sorgen um ein Kind machen, können die Fachkräfte der Beratungsstelle zu einem gemeinsamen Gespräch vor Ort mit den Eltern eingeladen werden, um den Zugang der Klienten zum Beratungsangebot noch leichter zu gestalten.
Zu den Besonderheiten in Sankt Augustin zählen beispielsweise, dass es keine Wartezeiten gibt. Erstgespräche finden innerhalb von 14 Tagen, in akuten Krisensituationen in der Regel sogar am gleichen Tag statt. Zudem finden die Gespräche nicht nur in der Beratungsstelle, sondern auch in Schulen, Kindertagesstätten oder bei den Familien zuhause statt. Dazu werden auch regelmäßige Sprechstunden in allen Schulen und in den zehn Familienzentren angeboten. Außerdem besteht eine intensive Vernetzung im Bildungs-, Jugendhilfe- und medizinischen Bereich, um den Zugang zum Beratungsangebot noch weiter zu erleichtern und zielgenau zu helfen. Auch ehrenamtliche Familienbegleitungen werden geschult, begleitet und unterstützt.
Im Beratungsteam (fünf Frauen und vier Männer) arbeiten vier psychologische, drei sozialpädagogische und zwei heilpädagogische Fachkräfte zusammen, die mit unterschiedlichen methodischen Ansätzen vertraut sind. Die Beratungskräfte verfügen jeweils über mindestens eine therapeutische Zusatzausbildung. Sie werden durch zwei Teamassistentinnen unterstützt. Die Inanspruchnahme des Beratungsangebotes ist in den zurückliegenden Jahren stetig gestiegen. Dies betrifft sowohl die fallbezogene Beratung mit den Klienten, als auch die fallübergreifenden präventiven Angebote. In 2022 wurden 724 Kinder und Jugendliche zur Beratung angemeldet. Aufgrund der systemischen Arbeitsweise wurden neben den Kindern auch die Eltern, manchmal auch Großeltern oder weitere Bezugspersonen zu Gesprächen eingeladen. Im Jahr 2022 wurden über 1786 Personen in die Beratung mit einbezogen. Insgesamt fanden 2978 Beratungsgespräche statt. Darüber hinaus gab es über 408 fallbezogene Fachkontakte mit Schulen, Kindertagesstätten, Jugendämtern, Ärzten und weiteren Fachkräften aus dem pädagogischen Bereich. In der präventiven Arbeit wurden rund 573 Termine für Elternabende, Fachvorträge, Gruppen, fachliche Hilfen für Fachkräfte und regelmäßige Sprechstunden vor Ort in Schulen und Kindertagesstätten wahrgenommen.
Zwei Klienten berichten über ihre Erfahrung mit der Beratung: „Wir sind froh, dass wir so unkompliziert und schnell einen Termin bekommen haben. Schon nach zwei Sitzungen haben wir einige Hilfestellungen zu Hause umgesetzt. Wir spüren, dass die Beratung eine positive Wirkung hat und uns weiterhilft. Wir sind glücklich, dass es die Beratungsstelle gibt. Es wäre toll, wenn viel mehr Leute von diesem Angebot wissen und es ausprobieren“.
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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