Ein offenes Ohr für Alle
Erziehungs- und Familienberatungsstelle in neuen Räumlichkeiten

Innerhalb eines Beratungsgespräches wird an einer individuellen Lösung für den Klienten gearbeitet. | Foto: Gaebel
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  • Innerhalb eines Beratungsgespräches wird an einer individuellen Lösung für den Klienten gearbeitet.
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Sankt Augustin. Nach langjährigen Streitigkeiten trennten sich die Eltern des achtjährigen Jonas (Name und Alter von der Redaktion geändert). Seine Mutter wollte mit ihm nach Dortmund ziehen, wo sie mit ihrer sehr religiösen Familie tief verwurzelt war. Hiermit war Jonas‘ Vater nicht einverstanden, er fürchtete den Kontaktverlust zu seinem Sohn. Das Familiengericht gab dem Vater recht und verfügte, dass Jonas bei seinem Vater wohnen bleiben solle, wenn die Mutter tatsächlich nach Dortmund umzöge. Jonas Mutter zog dennoch um, sodass Jonas jetzt bei seinem Vater wohnt. Aufgrund des hohen Konfliktpotenzials wurde die Familie vom Familiengericht an die Erziehungs- und Familienberatungsstelle der Stadt Sankt Augustin verwiesen. Ziel der Beratung wird sein, herauszufinden, wie Jonas‘ Eltern trotz ihrer Probleme untereinander gemeinsam für ihr Kind da sein können.

Fälle wie der von Jonas‘ Familie landen täglich bei der Beratungsstelle. In den meisten Fällen wenden sich die Klienten aber aus eigenem Antrieb an die Beratungsstelle, um hier kostenfrei die Angebote in Anspruch nehmen zu können. Im Zusammenhang mit Sorgerechts- und Scheidungsverfahren kann es - wie im Fall von Jonas Familie - jedoch vorkommen, dass das Familiengericht zu einer Beratung durch die Beratungsstelle auffordert.

Bereits seit 1973 bietet die Beratungsstelle Unterstützung in Trennungs- und Scheidungssituationen, bei der Bewältigung jeglicher individueller oder familienbezogener Probleme oder bei der Klärung von erzieherischen Fragen an. Im gleichen Jahr legte die zuständige Ministerkonferenz einheitliche Richtlinien zur Förderung der Beratungsstellen fest. Seit 1991 haben Eltern durch §28 des Sozialgesetzbuchs VIII auch einen Rechtsanspruch auf Beratung. Im Vergleich zu den Anfängen sind neue Themenbereiche wie Missbrauch oder Kindeswohlgefährdung hinzugekommen. Hier unterstützt die Beratungsstelle insbesondere auch Lehrer und Erzieher dabei, mögliche Kindeswohlgefährdungen einzuschätzen. Insbesondere seien aber die Familienstrukturen und mit ihnen auch mögliche Konfliktpotenziale komplexer geworden. Seltener kämen dagegen Fragen zu klassischer Erziehungsberatung.

Grundsätzlich lässt sich die Arbeit der Erziehungs- und Familienberatungsstelle in zwei Aufgabenbereiche gliedern: Die fallübergreifende und die fallbezogene Arbeit. Die fallübergreifende Arbeit umfasst insbesondere präventive Maßnahmen. Hierunter fallen neben Fachvorträgen, Elternabenden oder Sprechstunden in KiTas und Schulen auch Gruppenstunden, in denen sich Betroffene untereinander austauschen können. So gibt es zum Beispiel Gruppen zum Thema Elterncoaching oder die Gruppe „Trennung meistern, Kinder stärken“. Daneben bietet die Beratungsstelle für pädagogisches Fachkräfte Coachings und Fortbildungen an.

Der fallbezogene Bereich umfasst dagegen die Arbeit mit dem konkreten Klienten. Nach einem Erstgespräch wird die konkrete Maßnahme individuell auf den Klienten abgestimmt. Nach Kontaktaufnahme findet innerhalb von 14 Tagen ein Erstgespräch statt. In akuten Fällen bietet die Beratungsstelle sogar Erstgespräche noch am selben Tag an. Je nach Bedarf werden Folgetermine dann wöchentlich oder in größeren Abständen angeboten. Im Rahmen der Beratungsgespräche kann eine Diagnostik stattfinden und an Lösungsvorschlägen für das Problem gearbeitet werden. Indiz für den Erfolg einer Beratung sei, dass sich Verhaltensänderungen einstellen. „Wir wollen, dass die Menschen die Beratung mit einer Idee verlassen, was sie verändern können“, so Wolfang Mersch, Leiter der Erziehungs- und Familienberatungsstelle. „Es kann aber nicht für jedes Problem eine harmonische Lösung geben“. Ziel einer Beratung sei es vielmehr, verschiedene Sichtweisen zu betrachten, um so die Lösung zu wählen, die zu dem Klienten am besten passt. Die Fachkräfte der Beratungsstelle unterliegen dabei der Schweigepflicht. Ein Austausch mit Ärzten erfolgt nur, wenn eine Entbindung von der Schweigepflicht gegeben wurde. Eine Beratung ist für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene bis zum Alter von 27 Jahren sowie für ihre Eltern möglich. Im Jahr 2020 wurden 634 Personen in einer Beratung begleitet. Hierbei wird jeweils nach der systemischen Methode auch das soziale Umfeld des Betroffenen betrachtet. Deshalb fanden zusätzlich noch Gespräche mit Eltern, Großeltern oder gegebenenfalls auch mit Lehrern statt. Insgesamt wurden so im Jahr 2020 2.873 Beratungsgespräche geführt.

Erster Beigeordneter Ali Dogan und Wolfgang Mersch (re., Leiter der Erziehungs- und Familienberatungsstelle) in den neuen Räumlichkeiten im Eibenweg 2 in Niederpleis | Foto: Stadt Sankt Augustin
  • Erster Beigeordneter Ali Dogan und Wolfgang Mersch (re., Leiter der Erziehungs- und Familienberatungsstelle) in den neuen Räumlichkeiten im Eibenweg 2 in Niederpleis
  • Foto: Stadt Sankt Augustin

Seit Anfang Dezember ist die Erziehungs- und Familienberatungsstelle in ihre neuen Räumlichkeiten im Eibenweg 2 (am Niederpleiser Kreisel) umgezogen. Der Ortswechsel war notwendig geworden, da die Kapazitäten in der Wehrfeldstraße nicht mehr den Anforderungen entsprachen. Seit Beginn der Beratungsstelle hat sich die Zahl der Klienten fast verdoppelt. Somit ist auch die Zahl der Fachkräfte gestiegen: Wo anfangs nur eine Psychologin eingestellt wurde, arbeitet heute ein achtköpfiges Team - vier psychologische, zwei sozialpädagogische und zwei heilpädagogische Fachkräfte, die alle über mindestens eine therapeutische Zusatzausbildung verfügen. Hinzu kommen zwei Teamassistenten, die sich um die Verwaltung der Beratungsstelle kümmern. In den neuen Räumlichkeiten konnte auch ein Spieltherapiezimmer entstehen, das die heutigen Anforderungen erfüllt. Das Spieltherapiezimmer dient dazu, Kinder zu einem möglichst freien Spiel anzuregen. „Kinder spielen, was sie beschäftigt“, so Gerd Reiners, Fachkraft der Beratungsstelle. „Ihr Spielverhalten zu beobachten, ermöglicht uns einen Blick auf die Sichtweise der Kinder in Bezug auf Probleme und Konflikte, zum Beispiel innerhalb der Familie“. Hierzu würde das Spielverhalten vorsichtig interpretiert, auch in Kooperation mit den Eltern. In die Interpretation müsse aber immer auch einfließen, aus welcher Situation das Gespielte oder ein gemaltes Bild entstünde. „Eine lineare Auswertung ist somit nicht möglich“, so Reiners.

Die Erziehungs- und Familienberatungsstelle ist für alle Menschen da, die Unterstützung oder Rat suchen. „Es gibt keine Frage, die zu unbedeutend ist, alle Fragen sind bei uns willkommen“, so Mersch. Neben der Beratung auf Deutsch gibt es auch ein Beratungsangebot auf Englisch, Französisch, Spanisch oder Italienisch. Es kann aber jederzeit ein professioneller Dolmetscher hinzugezogen werden, um Beratungen auch auf anderen Sprachen zu ermöglichen.

Innerhalb eines Beratungsgespräches wird an einer individuellen Lösung für den Klienten gearbeitet. | Foto: Gaebel
Erster Beigeordneter Ali Dogan und Wolfgang Mersch (re., Leiter der Erziehungs- und Familienberatungsstelle) in den neuen Räumlichkeiten im Eibenweg 2 in Niederpleis | Foto: Stadt Sankt Augustin
Freie/r Redaktionsmitarbeiter/in:

Bianca Gaebel aus Sankt Augustin

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