Visitation in der Stadt
Weihbischof besuchte Caritas, Rathaus und den Lotsenpunkt

Zum Abschluss seines Besuches bei der Caritas-Pflegstation stellte sich Weihbischof Ansgar Puff mit den Mitarbeiterinnen für ein Gruppenfoto auf. | Foto: Caritas
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Sankt Augustin - „Was bedrückt die Menschen, zu denen sie gehen?“, fragte
Weihbischof Ansgar Puff Mitarbeiterinnen aus der Caritas-Pflegestation
Sankt Augustin. Auf seiner Visitationstour durch das Kreisdekanat
Rhein-Sieg nahm er sich Zeit für ein ungezwungenes Gespräch mit
Stationsleiterin Beate Holl, Caritas-Vorstand Harald Klippel und einer
großen Runde der insgesamt 23 Mitarbeiterinnen. „Die Einsamkeit“,
war einhellige Meinung der ambulanten Pflegekräfte. Oft beschäftige
ihre Patienten auch die Frage, wie lange sie das Leben in den eigenen
vier Wänden noch bewerkstelligen können. Eine Altersarmut, nach der
der leitende Pfarrer im Seelsorgebereich Sankt Augustin, Peter
Emontzpohl, zusätzlich fragte, sei ebenfalls häufig nicht zu
übersehen: wenn der Kühlschrank leer sei, es an Waschlappen und
Handtüchern, der Pflegelotion fehle.Und als der Weihbischof wissen
wollte, ob die Pflegekräfte sich denn auch hin und wieder als
„kleine Seelsorger“ fühlten, da hieß es vielstimmig: „Nicht
nur als kleine Seelsorger, als große!“. Manchmal, so schilderte
eine Mitarbeiterin, „sind wir am Tag die einzigen Ansprechpartner,
die diese Menschen haben“. Leiterin Beate Holl ergänzte: „Wir
bauen oft eine so enge Beziehung zu unseren Patienten und ihren
Familien auf, dass wir auf der anderen Seite gut aufpassen müssen,
die professionelle Distanz zu wahren“.

Zum Schluss bat der Weihbischof um eine kurze Rückmeldung: Wenn das
Team aus der Ambulanten Pflege nun Wünsche frei hätte, welche würde
es äußern? „Dass wir weiterhin gute Arbeit leisten können“,
erklärte Stationsleiterin Beate Holl mit Blick auf die knappe
Zeitkalkulation, die ihnen die Pflegekassen schon jetzt vorgeben. Und
Mitarbeiterinnen aus ihrem Team ergänzten: „Von den Patienten
erfahren wir viel Dankbarkeit, das ist sehr schön, aber von der
Gesellschaft würden wir uns mehr Wertschätzung wünschen. Unser
Beruf ist ja viel anspruchsvoller, als er wahrgenommen wird“.

Im Rahmen seiner Visitation in Sankt Augustin wollte sich Weihbischof
Ansgar Puff über alle Aktivitäten im Seelsorgebereich eingehend
informieren. Daher traf er sich auch mit den Mitarbeitern der
katholischen Beratungsstelle Lotsenpunkt. Koordinatorin Irmgard
Hölzemann schilderte ihm ausführlich, wie sich die typischen
Aufgabenfelder in den letzten beiden Jahren geändert haben. Waren es
vor zwei Jahren vor allem Asylbewerber, die mit dem Ausfüllen von
Formularen überfordert waren oder die um eine Begleitung beim Gang zu
den Ämtern baten, haben es die Lotsenpunkt-Mitarbeiter heute vor
allem mit der Suche nach geeignetem und finanzierbarem Wohnraum zu
tun. Weihbischof Puff unterstützte die Meinung von Pfarrer Peter
Emontzpohl, der ebenfalls an dem Gespräch teilnahm, dass die
Fortführung der Arbeit des Lotsenpunktes auf jeden Fall
sichergestellt werden muss. Er wies darauf hin, dass die in vielen
Seelsorgebereichen eingeführten Ehrenamtskoordinatoren unter anderem
auch die Aufgabe hätten, die Arbeit der Lotsenpunkte zu
unterstützen. Auch wenn nicht alle Probleme angesprochen - und erst
recht nicht gelöst werden konnten – so war das Gespräch doch ein
Zeichen der hohen Wertschätzung, die die Arbeit der katholischen
Beratungsstelle in Köln erfährt. 

Bürgermeister Klaus Schumacher begrüßte Weihbischof Ansgar Puff im
Rathaus. Auf Anregung der katholischen Kirche trafen sich im Rahmen
seiner Visitation im Seelsorgebereich Sankt Augustin Vertreter der
Verwaltung, der katholischen Kirche und katholischer Institutionen, um
über Auswirkungen einer Kindheit in Armut zu sprechen. Im Vordergrund
stand die Frage, „Wie können Stadt, Erzbistum und Kirche vor Ort
die Lebenssituation betroffener Kinder gemeinsam verbessern?“
Vereinbart wurde, die Zusammenarbeit auch mit den anderen kirchlichen
und freien Trägern weiter zu intensivieren.

9,8 Prozent der Einwohner oder 5.621 Personen in Sankt Augustin leben
auf Hartz IV- bzw. Sozialhilfeniveau. Davon betroffen sind
überproportional viele Kinder, nämlich jedes fünfte Kind. Kinder,
die ohne Frühstück zur Schule kommen, nicht an Klassenfahrten
teilnehmen, nicht die Kita besuchen, die allein aufgrund der
finanziellen Situation ihrer Familie einen schlechteren Start ins
Leben bekommen. Das konnten alle Teilnehmer des Treffens bestätigen.
Bestehende finanzielle oder unterstützende Angebote sind nicht
bekannt oder Scham und Angst hindern die Eltern Hilfe in Anspruch zu
nehmen. Manchmal sind es aber auch Hürden, die besserverdienende
Haushalte einfach bewältigen können, einkommensschwache aber nicht.
Nicht immer kann ein Kita-Platz wohnortnah bereitgestellt werden. Hat
die Familie beispielsweise kein Auto, ist die Unterbringung des Kindes
in einer Kita in einem anderen Stadtteil nur schwer möglich. Und auch
bei anderen Gelegenheiten fallen „Arme“ schnell durch das Netz. So
wird das Kindergeld bei Sozialhilfeempfängern auf die Leistungen
angerechnet, Besserverdienende erhalten dies zusätzlich.

Obwohl es viele Unterstützungsangebote gibt, zum Beispiel über das
Bildungs- und Teilhabepaket, fällt es vielen Familien entweder schwer
sich zu offenbaren oder die formellen Antragshürden alleine zu
bewältigen. Und verzögerte Bewilligungsprozesse können finanziell
von den Familien nicht aufgefangen werden. Pädagogische Fachkräfte
der Schulen und Kitas schilderten, wie aufwändig eine gute
Unterstützung auf Augenhöhe mit den Familien ist.

Der Sozialdienst Katholischer Frauen e.V. Bonn/Rhein-Sieg bestätigt
die Berichte aus Kita- und Schulalltag. Zu ihnen kommen Familien mit
unterschiedlichen Problemlagen. Ziel ist die langfristige Förderung
des Familienalltags hinsichtlich der Erziehung oftmals unter
schwierigen finanziellen Rahmenbedingungen.

Der Arbeit von Schulsozialarbeitern kommt in diesem Zusammenhang
große Bedeutung bei. Hier wird Vertrauen aufgebaut und unmittelbare
Hilfe geleistet. Bisher fördert das Land nur an zwei Schulen in Sankt
Augustin dieses Angebot. Daher appellieren Stadt und Kirche auch
gemeinsam an den Gesetzgeber, die Schulsozialarbeit als Aufgabe der
Jugendsozialarbeit zu verankern und damit die Finanzierung unbefristet
zu gewährleisten.

Als Träger von Kindertageseinrichtungen kämpfen Stadt und Kirche,
genau wie die anderen Träger mit der nicht ausreichenden Finanzierung
über das Kinderbildungsgesetz (Kibiz) und fordern von der
Landesregierung Abhilfe.

Einig waren sich zum Schluss alle: Jeder Euro, der Kindern
zugutekommt, ist eine Investition in die Zukunft. Daher wurde
vereinbart, sich gemeinsam mit den anderen Trägern der Kinder- und
Jugendhilfe weiter mit diesem Thema zu beschäftigen, Wege zu finden
um Prozesse zu entbürokratisieren, Angebote bekannter zu machen und
sich auf allen Ebenen für die Kinder einzusetzen unter dem Motto
„Jedes Kind hat das Recht auf den heutigen Tag".

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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