Lernen bis zum Lebensende
Abitur mit 73 Jahren
Euskirchen - Am Donnerstag war es nach drei intensiven Schuljahren und einer
unter Corona-Bedingungen besonders fordernden Abiturzeit am
Abendgymnasium für Christa Rath endlich soweit: Mit 73 Jahren hat sie
ihr Abiturzeugnis erhalten. Schon während ihrer fast 50-jährigen
ununterbrochenen Berufstätigkeit in Vollzeit, die sie in sehr viele
unterschiedliche Bereiche geführt hat − unter anderem Finanzen und
Vermögensverwaltung, Real Estate im In- und Ausland, Land- und
Forstwirtschaft, Bergbau, Kunst, Denkmalpflege, Erziehung und Bildung
sowie Stiftungswesen −, kam des öfteren bei ihr der Wunsch auf, das
Abitur nachzuholen. Ganz nach ihrem Lebensmotto „Eile mit Weile“,
das sie von ihrer Mutter übernommen hatte.
Nach dem Prinzip der „kleinen Schritte“ zögerte die 73-Jährige
Christa Rath nach einem erfahrungsreichen Berufsleben nicht und
meldete sich am Abendgymnasium Euskirchen für das Abitur an.
Mit 70 Jahren saß sie dann, von einem Tag auf den anderen, mitten
unter Abendgymnasiasten, die deutlich jünger waren als sie, mit
allem, was dazu gehört: lernen, Klausuren schreiben, in den Pausen
miteinander Zeit verbringen, hoffen und bangen, dass alle gemeinsam
gut durch die Semester und letztlich durch das Abitur kommen.
Jung und alt gemeinsam in der Schulbank: Geht das überhaupt? „Mit
unserem Angebot, einen höheren Schulabschluss nachholen zu können
− sei es das Fachabitur oder Abitur −, wollen wir ganz bewusst
alle Interessierten ab dem 18. Lebensjahr ansprechen. Eine
Altersgrenze nach oben gibt es definitiv nicht“, erklärt Nadine
Schlosser, Leiterin des Abendgymnasiums Euskirchen, das als
Außenstelle zum Weiterbildungskolleg der Bundesstadt Bonn gehört.
Am Abendgymnasium wird jeder mit seinem Werdegang ernst genommen. Die
Studierenden, wie die Schüler hier heißen, sind Erwachsene, die in
aller Regel tagsüber unterschiedlichsten Berufen nachgehen. Manche
von ihnen haben bereits eine Familie. Die Schule ist sich dieser
besonderen Ausgangssituation bewusst und unterstützt die Studierenden
in ihren Lernprozessen daher auf sehr individuelle Weise, wie auch die
Abiturienten des Sommersemesters 2020 betonen. „Für jeden hier ist
das wie eine Art Lebensexperiment“, sagt ein junger Absolvent.
„Die einen wissen genau, was sie mit dem Abitur machen wollen, die
anderen sind noch auf der Suche. Wir sind eine bunte Truppe, und jeder
bringt sich mit allem ein, was ihn oder sie ausmacht. Das Abi als
Erwachsener nachzuholen, geht dabei nicht einfach so. Man braucht eine
ordentliche Portion Durchhaltevermögen, um nach der Arbeit noch bis
22 Uhr zur Schule zu gehen und sich auf den Unterricht zu
konzentrieren.“
Auch für Christa Rath ist die Zeit am Abendgymnasium zu einer
persönlichen Bereicherung geworden: „Die Generationen sollten
übergreifend miteinander umgehen können. Das war für mich eine gute
Lebenserfahrung, die mir ermöglichte, den Blick über den eigenen
Tellerrand hinaus zu richten“, so die heute 73-Jährige.
Warum aber sollten Menschen einen höheren Schulabschluss, ob jung
oder alt, überhaupt nachholen? Auch dazu hat Christa Rath eine klare
Botschaft: „Einfach, weil es Spaß macht, mehr zu wissen, mehr zu
verstehen und Neues kennenzulernen. Wenn erstmal der Funken
übergesprungen ist, man sozusagen „wach“ wird, dann kann man gar
nicht anders, als neugierig bis zum Lebensende weiterzulernen.“
Für Christa Rath geht es gleich nach dem Abitur spannend weiter: Sie
will studieren.
Die Anmeldung für den kommenden Schulstart am Abendgymnasium und an
der Abendrealschule Euskirchen läuft noch bis zum 12. August. Infos
unter (02251) 779338 oder auf wbk-bonn.de
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.