Zeitkapselprojekt im Erftquartier
Auf Wiedersehen im Jahr 2068
Euskirchen - Der Termin steht schon fest, die Namen der Teilnehmer allerdings
noch nicht! Am 26. September 2068 wird in Euskirchen auf dem
Grundstück an der Erftbleiche 17a jener Raum geöffnet, der dort
exakt fünfzig Jahre zuvor versiegelt wurde. Bei der so genannten
Zeitkapsel handelt es sich um einen etwa fünf Kubikmeter großen,
umbauten Raum, der sich unter der Erde befindet.
Aber der Reihe nach: Das Erftquartier gehörte in der Vergangenheit
nicht unbedingt zu den Vorzeigeecken von Euskirchen. „Hier haben
diejenigen gewohnt, die es sich nicht anders leisten konnten“, sagt
Oliver Knuth, der Geschäftsführer der Euskirchener Gemeinnützigen
Baugesellschaft (Eugebau). Bürgermeister Dr. Uwe Friedl bezeichnet
das Viertel sogar als „sozialen Brennpunkt“. Was sicherlich auch
an der unmittelbaren Nähe zum Schlachthof lag. „Die Immissionen,
die von diesem Gebäude ausgingen - etwa Tiergeschrei und Blutgestank
-, wünscht man seinem ärgsten Feind nicht“, so Knuth weiter.
Die Eugebau hat sich zur Aufgabe gemacht, das Erftquartier
städtebaulich aufzuwerten. Durch eine Neuordnung des Bebauungsplanes
sind dort zehn neue Baugrundstücke für Mehrfamilienhäuser
entstanden, von denen mittlerweile drei bebaut wurden. 66 Wohnungen
sind dort entstanden; die meisten davon sind vermietet.
Vor etwa einem Jahr hat die Eugebau auch den Schlachthof erworben.
Zurzeit laufen Gespräche über eine neue Nutzung des 115 Jahre alten
und zum Teil denkmalgeschützten Gebäudes. Der Schlachtbetrieb,
soviel steht fest, wird nicht fortgeführt. In einem studentischen
Wettbewerb sollen mögliche Nutzungen des Gebäudes erarbeitet werden.
Diese wird in jedem Fall gewerblicher Art sein.
In der Zerlegehalle des alten Schlachthofes empfing Eugebau-Chef Knuth
jetzt die Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung
des Landes Nordrhein-Westfalen, Ina Scharrenbach. Sie war nach
Euskirchen gekommen, um sich vor Ort über das zurzeit wohl
spannendste, städtebauliche Projekt in der Kreisstadt zu informieren.
Denn das neue Erftquartier ist nicht nur ein schmuckes Wohnviertel,
sondern es ist auch umwelttechnisch ein absolutes Vorzeigeprojekt.
Alle Gebäude werden mittels Geo- und Solarthermie mit Wärme
versorgt. Die bereits neu gebauten Häuser haben jeweils den Standard
KfW-Effizienzhaus 40. Außerdem wurden Nistkästen für die heimischen
Singvögel sowie für Mauersegler in die Fassaden integriert.
Im Zuge der Quartiersentwicklung hat die Eugebau außerdem in
Zusammenarbeit mit der Firma „e-regio“ ein eCarSharing-Projekt
initiiert. Der Euskirchener Energiedienstleister stellt den Bewohnern
des Quartiers ein elektrisch angetriebenes Auto inklusive der nötigen
Ladeinfrastruktur zur Verfügung. Bauministerin Scharrenbach zeigte
sich beim Rundgang durch das Erftquartier durchaus angetan von diesem
Projekt und schnappte sich spontan sogar die Autoschlüssel des
Renault ZOE, um eine kleine Runde durchs Viertel zu drehen.
Zuvor hatte sich der prominente Gast aus Düsseldorf an einem Stand
des Erftverbandes über dessen Pläne zur Renaturierung der Erft in
diesem Bereich informiert. Im Erftpark soll das Gewässer in ein
neues, naturnah gestaltetes Gewässerbett verlegen werden. Der heute
einen Kilometer lange begradigte Flussabschnitt wird künftig gewunden
durch den Park fließen und sich dadurch um 600 Meter verlängern.
Außerdem soll der Gewässerabschnitt abwechslungsreich gestaltet und
ökologisch aufgewertet werden. Dadurch werden hochwertiger Lebensraum
für Pflanzen und Tiere geschaffen und der Hochwasserschutz
verbessert.
Auch der Besuch einer Wohnung im neuen Erftquartier stand auf dem
Besuchsplan von Ina Scharrenbach. Dabei erfuhr die Ministerin nicht
nur, dass die Mehrzahl der Wohnungen mit öffentlichen Mitteln gebaut
wurden und werden, sondern auch, dass im Zuge der Inklusion Menschen
mit einer geistigen Behinderung dort passenden Wohnraum finden werden.
Menschen mit Down-Syndrom, Autismus oder ähnlichen Handicaps sollen
im Erftquartier betreut und weitgehend selbstständig leben können.
Ehe sich Bauministerin Scharrenbach zum Abschluss ins Goldene Buch der
Stadt Euskirchen eintrug, brachte sie noch die eingangs erwähnte
„Zeitkapsel Euskirchen“ auf den Weg. Den ganzen Nachmittag über
hatten viele Euskirchener - unter anderem auch 500 Schülerinnen und
Schüler der Gesamtschule - ihre Erinnerungsstücke zum Grundstück an
der Erftbleiche 17a gebracht, damit diese sicher und luftdicht
verpackt für die nächsten 50 Jahre in die Zeitkapsel wandern
konnten. Die Menschen brachten nicht nur Briefe, Fotos und
selbstgemalte Bilder zur Zeitkapsel, sondern auch viele alltägliche
Gegenstände, etwa Stofftiere, Handys und sogar ein Nintendo. Auch
zwei Exemplare der aktuellen Ausgabe des Blickpunkt am Sonntag
wanderten in die Zeitkapsel.
Viele Menschen, die Erinnerungsstücke ins Erftquartier brachten,
werden in 50 Jahren nicht mehr leben. Ina Scharrenbach zum Beispiel
wird dann schon lange nicht mehr Ministerin sein. Sie zeigte sich
dennoch zuversichtlich, dann wieder nach Euskirchen zu kommen: „Im
Jahr sehen wir uns alle hier wieder. Ich bin dann 92 Jahre alt. Ich
bin sehr gespannt.“
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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