Osterarbeitswoche des Deutschen Harmonika-Verbandes in Trossingen
100 Musikbegeisterte und Kurse mit tollen Dozenten
Trossingen/Wesseling: Am Ende der Osterarbeitswoche des Deutschen Harmonika-Verband e.V. in der Bundesakademie Trossingen blickten alle zurück auf interessante Tage, voll gepackt mit Akkordeonmusik diverser Stilrichtungen, fleißiger Probenarbeit, Begegnungen und Austausch, vielen Anregungen für die Kulturarbeit in den Heimatvereinen...
Kurse und Abschluss
Am Gründonnerstag stellten sich die Kurse in der Abschlussveranstaltung gegenseitig vor, was sie bei der Osterarbeitswoche gelernt und geprobt haben. Den Auftakt machte im Konzertsaal der Basis-Lehrgang für Dirigieranfänger und aktive Dirigenten der Elementar-/Mittelstufe, die ihre Grundkenntnisse auffrischen oder erweitern wollten, den Silke D'Inka leitete. Der Teilnehmerkreis war heterogen: vom blutigen Anfänger bis zum Orchesterleiter mit mehrjähriger Erfahrung. Die Dozentin verstand es, allen viel zu vermitteln und auf typische dirigiertechnische Problemstellen wie Auftakte, Taktwechsel, Fermaten, Ritardandi einzugehen. Und die jüngste Teilnehmerin und absolute Dirigieranfängerin präsentierte den zweiten Teil von "A Legend from Yao" im Arrangement von Sebastian Klein.
Auch 2019 war Andreas Nebl vom Hohner-Konservatorium Trossingen wieder Dozent für den Ensemblekurs. Ein Quartett und ein Sextett formierten sich aus Kleingruppen und Einzelspielern. Der Dozent leitete sie methodisch an, sie studierten klassische Kompositionen, aber auch Tangoarrangements ein. Beim Abschluss präsentierten die beiden Ensembles jeweils zwei Werke im schönen Konzertsaal, unter anderem das "Adagio cantabile" aus der Klaviersonate Nr. 8 "Pathetique" von Beethoven und den "Tango" von Strawinsky aus dem Kriegsjahr 1940, den der Komponist in Hollywood geschrieben hat, um seinen Lebensunterhalt dort zu finanzieren.
Zum Abschluss des Vorspiels am Donnerstag präsentierte das Orchester des Kurses 5 von Hans-Günther Kölz und Wolfgang Ruß im Guido-Waldmann-Saal fünf neue Werke für Akkordeonorchester. Die 50 Musiker beeindruckten zunächst mit einem Satz der Originalkomposition "Music For A Never Made Movie" von Wolfgang Ruß, aber auch mit zwei Auszügen aus dem neuen Medley "Best of Herbert Grönemeyer" von Hans-Günther Kölz, dem "Tango pour Claude" von Richard Galliano und der langsamsten Bigband-Nummer von Count Basie "Li'l Darling". Die Dozenten waren dabei abwechselnd als Dirigenten und Percussionisten bzw. als Pianist oder Bassist aktiv.
Die Orchesterwerkstatt mit Thomas Bauer ist für Spieler und für Dirigenten der Ober- und Höchststufe. Die Orchesterarbeit bewegt sich zwischen Kennenlernen und genauem Erarbeiten der Werke. Vielfältige Literatur stand auf dem Probenplan: die "Fantasia a3 auf die Manier eines Echo" von Jan Pieterszoon Sweelinck, ursprünglich für Orgel komponiert, "Fracanapa" und "Undertango" von Astor Piazzolla, die Ouvertüre "Il Signor Bruschino" von Gioacchino Rossini, das "Intermezzo sinfonico" aus der "Cavalleria Rusticana" von Pietro Mascagni, das "Morceaux de Concert" für Horn-Solo von Camille Saint-Saëns, "Three Preludes" von Georges Gershwin, ursprünglich für Klavier geschrieben, und die "Rumänischen Volkstänze" von Bela Bartok. Die Teilnehmer dankten für eine großartige Probenarbeit.
Im Kurs 1 stellte außerdem Tobias Dalhof vom Amusiko Musikverlag drei Originalkompositionen des London Accordion Orchestra vor: "Peace" von Ian Watson (Mittelstufe), "Clowns" von Ian Watson (Oberstufe) und "Karneval" von Matthew Scott (Oberstufe). Interessante Bereicherungen der Akkordeonorchester-Literatur.
Carmen Hey gab Tipps und Tricks für einen authentischen Ausdruck. Die im Kurs verwendete Literatur war eine bunte Mischung aus Stilistikbeispielen aus Weltmusik und Swing-Jazz. Akkordeonspieler, Akkordeon-Pädagogen und Orchesterspieler mit mindestens mittlerem Spielleve lernten dabei die Kunst der Balgtechnik.
Konzerte
Zwei Uraufführungen für Akkordeon als Ensemble-Instrument standen auf dem Programm des Auftaktkonzertes der Osterarbeitswoche, nämlich die Kompositionen der Preisträger des Wolfgang Jacobi Kompositionswettbewerbes: „Cinque miniature“ des 3. Preisträgers Andrea Sordano, präsentiert von Jan Fehrenbach, Saxophon, und Vanja Ćirković, Akkordeon, und die „Madrigale der Mänaden“ des 1. Preisträgers Caio de Azevedo, aufgeführt von Stefan Krimbacher, Akkordeon, und den Sopranistinnen Maria Palaska, Valérie Leoff, Miriam Gluth und Maria Pizzuto.
Das Auftaktkonzert bestritt anschließend das Duo „Excursion“ - das sind Kathrin Gass, chromatische Mundharmonika, und Hans-Günther Kölz, Klavier, Komposition und Arrangement. Sie präsentierten vor allem Originalkompositionen wie „Excursion“ von Kölz mit Yasuo Watani, „Impromptu“ und „Toledo“ von James Moody, „Para uns despedida“ und „Spring Dance“ von Matthias Anton mit Kölz sowie Filmmusik aus „Schindlers Liste“ im Arrangement von John Williams für Violine plus Klavier. Das begeisterte Publikum erklatschte sich zwei Zugaben: den 3. Satz der „Preludes“ von Kölz und „Lebewohl“ von Manfred Leuchter.
Der Montagabend ist traditionell für ein Konzert mit Studenten des Hohner-Konservatorium Trossingen reserviert. Im Konzertsaal gab es beeindruckende Darbietungen - sowohl von zwei Ensembles und zwei Solistinnen als auch im Seminarorchester unter Leitung von Stefan Hippe. Und anschließend noch im Foyer Jazz-Lounge mit zwei Combos unter Leitung von Wolfgang Russ. Insgesamt gut zwei Stunden lang alle Facetten der Akkordeonmusik!
Das Seminarorchester spielte zwei Originalkompositionen: "Feuerwerk" von Lutz Stark und "Episodes sur une image" von Hans-Günther Kölz, außerdem das Medley aus "Westside-Story" von Heinz Ehme und "Out Of The Grid Waltz" im Arrangement des Studenten Cedric Biamont.
Das Konzert wurde eröffnet durch ein Ensemble, nämlich durch 44ART, das sind Jessica Winterholler, Stefan Krimbacher, Michael Ziegler und Alisa Winterholler. Sie spielten klassische Musik von Joseph Haydn: "Allegro Moderato und Fuge op. 20/5". Viel Applaus auch für das Akkordeon-Trio "Music´a Tre" mit Stefan Bauer, Nils Aebersold und Elvira Besel. Sie beeindruckten mit einer großartigen Interpretation der zeigenössischen Komposition "Anantango" des spanischen Komponisten Gorka Hermosa.
Im Rahmen von „Kons in Concert“ faszinierten zwei Studentinnen des Hohner Konservatoriums als Solistinnen. Manuela Glock präsentierte Auszüge aus den „Bildern einer Ausstellung“ von Modest Mussorgsky. Vanja Ćirković spielte die zeitgenössische „Musica ricerata“ von György Ligeti.
Zwei Combos unter Leitung von Wolfgang Ruß unterhielten anschließend die Teilnehmer bestens im Foyer. Bei der "Jazzlounge" wurden auch schon Getränke ausgeschänkt.
Die erste Combo: Stefan Bauer, Drums und Percussion, Elvira Besel, Bass, Cedric Biamont, Piano, Nils Aebersold, Akkordeon, und Wolfgang Ruß, Gitarre, sowie Filipe Nicodemos Alves, Percussion.
Die zweite Combo - siehe Foto: Wolfgang Russ, Drums, Lukas Proske, Bass und Melodica, Dima Moraru, Akkordeon, Jessica Friesen, Piano, und Jessica Winterholler, Saxophon.
Sie waren das Ersatzprogramm beim dritten Konzert der Osterarbeitswoche: Elisabeth Thoma, Querflöte, und Manuel Wagner, Akkordeon, genannt Duo FLAC, Gewinner des Akkordeon-Musikpreises 2018 in der Kategorie Kammermusik Professionals. Mit ihren Übertragungen von Werken aus Renaissance, Barock, Klassik und Romantik begeisterten sie und nahmen die Zuhörer im Konzertsaal mit auf eine Reise durch die Musikgeschichte. Unter anderem erklang eine Flötensonate von Bach, ein Rondo von Mozart und ein Divertimento von Haydn. Die beiden Solisten spielen aber auch gerne Originalmusik, um die Möglichkeiten ihrer Instrumente besser zeigen zu können. So führten sie zum zweiten Mal Nikolaus Brass‘ "Dialoghi d'Amore XV." auf, gerade im März in München uraufgeführt. Die Liebesgespräche sind mal harmonisch, aber über viele Minuten hinweg auch Streit! Die Klänge verschmelzen so gut, dass man manchmal kaum hört, von welchem Instrument welcher Ton kommt! Die „Phantasie für Flöte und Akkordeon“ von Wolfgang Jacobi gehört ebenfalls zum Repertoire der beiden sympathischen Musiker. Ohne eine Zugabe durften sie nicht von der Bühne: brasilianische Unterhaltungsmusik „Pacoca Choro“ von Celso Machado leitete über in den gemütlichen Teil des Abends.
Französische Melodien und swingende Rhythmen à la Django Reinhardt. Mit französischer Musette und Swing Manouche ließen am Mittwochabend der Osterarbeitswoche des Deutscher Harmonika-Verband e.V. Akkordeonistin Carmen Hey und Gypsy-Gitarrist Gigi Reinhardt aus der berühmten Django Reinhardt-Familie sowie Holzmanno Winterstein, ebenfalls ein bekannter Roma-Gitarrist, das Paris der 30er Jahre wieder aufleben.
Plenen, Workshops und sonstiges Rahmenprogramm
Das Rahmenprogramm der Osterarbeitswoche war vollgepackt mit interessanten Plenen und Workshops zu ganz unterschiedlichen Themen. So stellte Martina Kluge am Montagabend die Steirische Harmonika und deren Möglichkeiten sowie die Michlbauer Harmonikawelt Methode vor. Diatonisch statt chromatisch! Volksmusik ist in! Steirische Harmonika ist in!
Robin Schmidt berichtete in einem Abend-Workshop über die Verwendung von iPads für den Musikunterricht. Er stellte die Apps GarageBand, iRealPro, Beatball Music Metronome, Avid Scorch, Noteworks, MuseScore und ForScore vor, mit denen er bisher Erfahrungen gesammelt hat. Außerdem demonstrierte er eindrucksvoll, wie er mit der App Garageband ein Playback mit Drums, E-Bass und E-Piano erstellt und damit professionell im "Heim-Studio" Musik mit Akkordeon-Solo einer Schülerin via Mikrofon produziert.
Der Vorsitzende des Landesverbands Baden-Württemberg Manfred Kappler gab während der Osterarbeitswoche des Deutscher Harmonika-Verband e.V. in einem Plenum nach der Mittagspause einen Überblick, was bei Vereinsauflösungen und Vereinsfusionen rechtlich und steuerlich zu beachten ist. Geschäftsführerin Corinna Probst meinte dazu: "Keine schönen, aber notwendige Themen. Wir werden diese auch in unserer Verbands-Zeitschrift 'Harmonika International' nochmal aufgreifen."
Im Rahmen der Osterarbeitswoche gab es auch die Möglichkeit für eine Kurzführung im Deutschen Harmonika Museum. Dort Es kann man nicht nur viele Akkordeons und Mundharmonikas sehen, sondern bekommt auch einen Enblick in die Geschichte von Hohner und viele akustische und filmische Beispiele von Harmonikamusik. Und auch Erinnerungen an das legendäre Orchester des Hauses Hohner unter Leitung von Rudolf Würthner mit Karl Perenthaler als Konzertmeister.
Vielen Dank an Bernd Glück und sein Team von Musikversand und Verlagsgruppe Notenwunderland und Jetelina Akkordeonmusik sowie an Tobias und Stefanie Dalhof von der Verlagsgruppe Amusiko mit dem Amusiko Musikverlag, dem Heck Musikverlag und dem Musikverlag Tastenzauber für die umfangreichen Notenausstellungen samt Bestellservice im Foyer der Bundesakademie Trossingen.
Auch dieses Jahr war wieder der Hohner Akkordeon-Service unter Leitung von Ralf Tritschler an drei Nachmittagen vor Ort in der Bundesakademie. Für alle Fragen rund um Pflege und Reparatur des Akkordeons standen Fachleute zur Verfügung. Auch kleinere Reparaturen waren möglich. Und auch das neue Hohner Kinderakkordeon XS konnte ausprobiert werden.
Und am letzten Abend unterhielt wieder ein Quartett aus zwei Dozenten, einem Teilnehmer und einem Studenten des Hohner Konservatoriums Trossingen mit Jazz-Standards. Eine runde Sache! Wie auch die ganze Osterarbeitswoche!
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