Ehrung für Gerda Boss
105 Jahre alt und 80 davon beim Rot-Kreuz

Gerda Boss ist stolze 105 Jahre alt und passend zur Verleihung der Ehrennadel für 80 Jahre Deutsches Rotes Kreuz trägt die Jubilarin ihre DRK-Uniform.  | Foto: Montserrat Manke
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Wesseling. „Ach, isset schon wieder so weit?“ raunt mir Gerda Boss zu angesichts des „Aufmarsches“, der in den kleinen Festraum des Lucia-Wohnhauses kommt. Und das ist typisch für die Jubilarin, die heute für sagenhafte 80 Jahre Mitgliedschaft beim Deutschen Roten Kreuz geehrt werden wird: Keine Phrasen, keine Floskeln, auf den Punkt gesprochen - und das mit unglaublichen 105 Jahren!

Die Fingernägel sind flammrot lackiert, das schöne weiße Haar hat einen flotten Schnitt, sie trägt ihr dunkelblaues Rot-Kreuz Jacket, an dem schon die eigens für sie angefertigte DRK-Nadel pinnt, die sie zum 75-Jährigen Dienstjubiläum bekommen hat.

Die Jubilarin sitzt im Rollstuhl, und den hat ihre Nichte Elke Heider mit der Bremse festgestellt - denn „Tant’ Gerda“ ist ein unruhiger Geist, den es selten an einem Ort hält: „Immer, wenn ich sie besuchen komme, ist sie nicht da, sondern im Haus unterwegs“, sagt die Nichte. Und tatsächlich, während der kleinen Feierstunde wackelt sie mehrfach an den großen Rädern, so, als wenn sie auf dem Sprung ist.

Dabei haben die Menschen um sie herum viel zu sagen, aber Gerda Boss kann es nicht hören, denn beide Hörgeräte sind kaputt - eins wurde aus Versehen mit gewaschen, das zweite hat sie selbst „gehimmelt“, sie fuhr mit dem Rollator drüber.

Und so muss man sehr, sehr laut mit der 105-Jährigen sprechen, und als ich sie frage, wie es ihr geht, kommt die Antwort: „Wenn ich gesund bin, kann ich noch alles tun. Und für jeden da sein“. „Für jeden da sein“ ist - und das erlaube ich mir zu schreiben nach fast 30 Jahren, die ich Gerda Boss kenne - das ist das Lebenscredo der zweitältesten Einwohnerin der Stadt am Rhein. Nur in Urfeld wohnt eine weitere Dame, die noch ein halbes Jahr älter ist.

Gerda Boss ist 21 Jahre alt, als der zweite Weltkrieg ausbricht, und ihr erster Mann David nicht mehr von der Front nach Hause kommt. Die junge Witwe geht zum Rot-Kreuz, hilft im Lazarett, pflegt Kriegsverwundete, und dort lernt sie auch ihren zweiten Mann Rudi kennen.

Aus Freundschaft wird Liebe, die beiden heiraten und er nimmt sie mit nach Wesseling, wo er zu Hause ist. Da Rudi aber nicht will, dass seine Gerda arbeitet, widmet sich Boss dem Aufbau des Wesselinger Rot Kreuzes, und arbeitet in der Bibliothek des Krankenhauses - alles ehrenamtlich.

Mit 85 Jahren, also dann wenn viele andere aufhören, etwas zu tun, startet Boss das Rot-Kreuz-Seniorencafé an der Oberwesselinger Straße und sie geht zehn Jahre jeden Tag die Strecke von ihrer Wohnung im „Spinatbunker“ (für Nicht-Wesselinger: Das grüne Hochhaus an der Flach-Fengler-Straße am Kreisel) zum Café, kümmert sich dort um alles. Auch das hält sie fit.

Bis zu ihrem 103 Lebensjahr wohnt Gerda Boss noch alleine, ist kurzfristig mal in der Tagespflege.
Dann folgt der Umzug ins Lucia-Haus, wo sie - das bestätigt mir die CBT-Wohnhaus Einrichtungsleiterin Ursula Steinbock - noch an allen Aktivitäten teilnimmt: Gymnastik, Gedächtnistraining, oder das gemeinsame Kochen und „alles mit Musik“. Letzten Oktober feiert sie hier ihren 105. Geburtstag, und der habe mehr einer Karnevalsveranstaltung geglichen als einem Seniorennachmittag, sagt Steinbock.

Aufstellen zum Jubiläumsfoto: Gerda Boss umrahmt von Rainer Batschkuhn, Vizepräsident des Rhein-Erft-DRK, Anja Meinigke, Leiterin Servicestelle Ehrenamt, Nichte Elke Heider, Vize-Bürgermeisterin Monika Engels-Welter, Gerdas Neffem Jürgen Schließer und Ursula Steinbock, der Leiterin des CBT-Wohnhauses St. Luzia, wo die Jubilarin seit ihrem 103. Geburtstag wohnt. | Foto: Montserrat Manke
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Auch für Rainer Batschkuhn, stellvertretendem Vorsitzenden des Rhein-Erft-DRK, ist die Überreichung der Nadel zur 80-jährigen Mitgliedschaft im Deutschen Roten Kreuz eine Premiere: „Das habe ich in 37 Jahren beim DRK noch nicht erlebt“. Zusammen mit der Leiterin Servicestelle Ehrenamt, Anja Meinigke, überreicht er Boss die Urkunde, die Nadel und noch eine silberne Münze mit Sonderprägung zum 150-jährigen Bestehen des Rot-Kreuzes.

Auch Monika Engels-Welter, stellvertretende Bürgermeisterin Wesselings, ist da und gratuliert Gerda Boss.
Die beiden sprechen kurz über das vergangene Pfarrfest, an dem die 105-Jährige rege teilgenommen hatte. „Sie war den ganzen Tag dabei, und hat mit so vielen geredet“, erinnert sich Engels-Welter.

Gerda Boss hat noch sichtlich Spaß an ihrem Leben, sie isst mit Appetit, liebt wie eh und je ein gutes Stück Steak, und dazu gerne ein schönes Glas Rotwein. Beim Empfang gibt es trockenen Sekt, auch ein Glas für Gerda: „Aber nur, wenn alle anderen auch haben“, sagt sie ganz bescheiden. Und nach dem ersten Schluck entfährt ihr „Uh, scharf“.

Als ich mich verabschiede frage ich meine um ein halbes Jahrhundert ältere Interview-Partnerin, ob sie noch was sagen möchte. Sie möchte: „Seid so, wie ihr wirklich seid. Dann hat euch auch jeder gerne“. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

Gerda Boss ist stolze 105 Jahre alt und passend zur Verleihung der Ehrennadel für 80 Jahre Deutsches Rotes Kreuz trägt die Jubilarin ihre DRK-Uniform.  | Foto: Montserrat Manke
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Redakteur/in:

Montserrat Manke

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