Wesselinger Zahnärztin ehrenamtlich im Einsatz
14 Tage auf der "African Mercy"
Ein sympathisches Lächeln, ein offener Blick: Es macht Spaß, mit Dr.
Sandra Geschwendtner zusammen zu sitzen und über ihre ehrenamtliche
Arbeit zu reden. Man merkt, dass die Medizinerin gerne anderen
Menschen hilft, sich einsetzt und dafür ihre Freizeit opfert.
In der Vergangenheit war die 39-Jährige schon als Zahnärztin in
einer Missionsstation in Ecuador und hat auf den Seychellen eine
Zahnstation mit aufgebaut.
Ende letzten Jahres nun war Gschwendtner 14 Tage auf dem größten
Hospitalschiff der Welt, der „African Mercy“ im Einsatz. Per
Zufall - denn ihre Cousine Judith Frischleder hatte sie kurz davor auf
ein kanadisches Facebook-Post aufmerksam gemacht, in dem Zahnärzte
für das Schiff gesucht wurden.
Binnen 14 Tagen besorgte sich die junge Frau alle Impfungen,
überstand die Gesundheitsprüfung und das strenge
Aufnahmeprozedere. Von Frankfurt über Paris ging es nach Cotonou,
einer Hafenstadt im Staat Benin Westen Afrikas. Im Gepäck hatte
Sandra Gschwendtner nicht nur leichte, den Temperaturen angepasste
Kleidung, sondern auch Titanplatten zur Rehabilitation von
Kieferknochen.
Nach dem Einchecken auf dem 152 Meter langen Schiff fuhren die Ärzte
mit einer Jeepflotte zur kleinen Zahnklinik im Landesinneren. Da schon
im Vorfeld bekannt gemacht wurde, dass die Zahnärzte kommen, warteten
beim Eintreffen des Ärzteteams schon lange Schlangen – aufgeteilt
nach Männern und Frauen – vor der Klinik.
„Es wird dann erst mal geschaut, wer braucht dringend Hilfe. Kinder
kommen sowieso zuerst dran, und dann haben wir farbige Bändchen
verteilt nach Dringlichkeit: Rot ist Stufe ein“, erläutert
Gschwendtner.
Dann ging es los, und zu viert – zwei Ärzte, zwei
Dentalhygienikerinnen – wurden die Fälle abgearbeitet. Sieben
Stunden am Tag, pro Arzt 20 Patienten. Die Dentalhygienikerinnen
behandelten dazu Zahnfleischentzündungen und gaben
Zahnputzunterricht.
Unterstützt wurde das Team von der Day-Crew“, bestehend aus zehn
Einheimischen, die übersetzten, die Patienten betreuten und in der
zahnärztlichen Assistenz angelernt wurden.
Rund 260 Zähne – vom Schneide- bis zum Weisheitszahn – hat Sandra
Gschwendtner in den zwei Wochen gezogen, Füllungen wurden nur selten
gemacht. Wirklich schlimme Fälle, wie eine Tumorerkrankung oder
Missbildungen wurden aufs Schiff zum Mund-Kiefer-Gesichtschirurg
überwiesen. „Wir hatten Patienten mit teilweise fußballgroßen
Tumore“, erinnert sich die Ärztin.
An den Wochenenden hatte Sandra Gschwendtner frei und konnte sich
Land sowie Leute ansehen: „Es ist schon sehr arm, da bekommt man
nochmal vor Augen geführt, wie gut es uns hier geht. In der
Großstadt gibt es natürlich etwas Infrastruktur, aber wenn Sie zum
Beispiel das Slum-Krankenhaus sehen - da kippen Sie nach hinten um.
Überall Schimmel, viele Babys. Es sind erschreckende Zustände. Es
gibt zwar Krankenhäuser, aber meines Wissens nach nur 16 Zahnärzte
für das ganze Land“, sagt die Medizinerin.
Benin grenzt im Westen an Togo, im Norden an Burkina Faso und Niger,
im Osten an Nigeria und im Süden an den Golf von Guinea. Die
Landessprache ist Französisch, und auch wenn sich offiziell immer
weniger dazu bekennen, dürfte Voodoo immer noch die Hauptreligion des
Landes sein.
Am meisten berührt wurde die Deutsche durch die Dankbarkeit und
Geduld der Menschen: „Sie sitzen den ganzen Tag da und beschweren
sich nicht, Dieses Gottvertrauen. Jeden Morgen wurde gesungen und
getrommelt“.
Der schlimmste Fall, den sie mitbehandelt hat, war eine eigroße
Unterkieferzyste. Als die raus war, sei nicht mehr viel vom
Unterkiefer dagewesen. Alles geschah unter lokaler Kieferbetäubung:
„Das wäre hier ein mehrtägiger Krankenhausaufenthalt“.
Auf dem Schiff hatte Sandra Gschwendtner eine Kabine für sich
alleine, das sei ein Glücksfall gewesen, denn viele würden in
Zehn-Bett-Zimmern nächtigen, aber Ärzte hätten meistens eine
Einzel- oder Doppelkabine. Die Crew war von der Reinigungskraft bis
zum Maschinenbauingenieur insgesamt 450 Mann stark – die meisten im
Ehrenamt.
Nur eine Handvoll Leute würden bezahlt, zum Beispiel die Arbeiter im
Maschinenraum des Schiffes. Das Sicherheitspersonal, welches die
Brücke bewacht besteht aus ehemaligen nepalesischen Elitesoldaten,
die „Gurkhas“.
Ausgestattet mit einer Chipkarte musste man sich aus- und einloggen,
und eintragen wo man hingeht. Beim Wiedereinchecken auf das Schiff
wurde immer Fieber gemessen, damit man kein Ebola oder Ähnliches
einschleppte, erzählt Sandra Gschwendtner
Bei ihrem Einsatz an der Küste Westafrikas ist Sandra Gschwendtner
körperlich und seelisch an ihre Grenzen gegangen und sie hat auch
einiges an Erfahrungen mitgenommen. Zum Beispiel, dass es auch anders
gehe, „Back to the roots“. Sie hat gelernt, sich auf das
Wesentliche zu konzentrieren und sich nicht durch 1000 unnötige
Sachen ablenken zu lassen. „Außerdem traut man sich mehr zu und man
gewinnt an Selbstbewusstsein“.
Ob sie nochmal auf das Schiff gehen würde, weiß sie nicht, aber das
sie ehrenamtlich weiter in Krisengebieten arbeiten will, ist für
Gschwendtner klar.
Redakteur/in:Montserrat Manke |
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