Carl-Maria Dießel las in Mines Spatzentreff
Alltägliches - zwischen Wahn und Träumen

Carl-Maria Dießel las in Mines Spatzentreff viel Gereimtes unter dem Motto "Alltägliches - zwischen Wahn und Träumen".  | Foto: Anita Brandtstäter
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Wesseling. Der 70-jährige Wesselinger Lyriker und Poet Carl-Maria Dießel schrieb schon als Kind. Mit 8 oder 9 Jahren hat ihn die Lektüre von "Winnetou II" dazu inspiriert, eine Kurzgeschichte zu schreiben, und er erntete dafür ein sonst sehr seltenes Lob seines Vater. "Ich muss schreiben - jeden Tag. Sonst habe ich das Gefühl, etwas verloren zu haben. Etwas will 'raus - aber manchmal ist nicht klar wie." Und so las er in Mines Spatzetreff am Freitag sogar das, was er zu diesem Event am selben Tag geschrieben hat - es war allerdings noch nicht fertig.  

Auf dem Dachboden stapelt es sich. Schon immer wollte er seine Gedanken ausdrücken. Er war lange als Messdiener aktiv und hatte Gesangsunterricht. Das hat ihn rhythmisch geprägt, deshalb sind viele seiner Kurzgeschichten gereimt. Was er in seinen Lebensjahren zwischen 20 und 50 geschrieben hat, findet er heute "zu flach", obwohl vieles davon bei der Deutschen Welle gesendet wurde, seinem damaligen Arbeitgeber. Aber jetzt möchte er noch mehr veröffentlichen... "Und es macht Spaß zu lesen. Man bekommt Rückmeldungen!" 

Er las prononciert und rhythmisch, mal überlegt, meist schnell; selten hielt er inne. Es waren viele gereimte Kurzgeschichten, einige Gedichte. Dazwischen gab es kaum Pausen. Durch eine perfekte Verstärkung, konnten die Gäste in Mines Spatzentreff gut folgen.

Carl-Maria Dießel beschreibt Alltägliches. Er ist ein genauer Beobachter seiner direkten Umwelt, der kleinsten Begebenheiten und Nebensächlichkeiten. Dabei jedoch lässt er seiner Fantasie freien Lauf, führt das Normale solange ins Absurde, bis es wieder normal wird. Die Inhalte seiner Kurzgeschichten hat er dem Leben entnommen. Und so beginnen die Geschichten ohne Anfang und enden ohne einen Schluss. Wie ein Fluss, der an der Quelle aus der Tiefe ans Tageslicht tritt, um sich nach einer Reise im Meer zu verteilen und dort weiter existiert.

Er begann mit seiner im April 2024 entstandenen gereimten Kurzgeschichte:

Das kommt vor...
A)
Manchmal lässt man etwas liegen
Manchmal schmeißt man etwas fort
Manchmal will man was verbiegen
Manchmal ist man nicht vor Ort
*
Hin und wieder schenkt man Lieder
Hin und wieder schreit man grell
Hin und wieder kniet man nieder
Hin und wieder wirds nicht hell
*
Ab und zu gibt man noch Küsse
Ab und zu ne heiße Nacht
Ab und zu vernimmt man Schüsse
Ab und zu wird man verlacht
*
Selten fällt man aus der Reihe
Selten fühlt man sich zu zwein
Selten kriegt man eine Weihe
Selten ist man echt allein
*
Manchmal folgt man falschen Stimmen
Hin und wieder finstrem Rauch
Ab und zu stürzt man von Zinnen
Selten wird man satt im Bauch ...

B)
Oftmals säuft man sich ins Koma
Oftmals fährt die Bahn zu spät
Oftmals sieht man nicht die Oma
Oftmals hat man sich verwählt
*
Immer wieder sucht man Worte
Immer wieder fällt man um
Immer wieder gibts nur Torte
Immer wieder ist man dumm
*
Häufig findet man nen Namen
Häufig findet man ihn nicht
Häufig meditiert man „Amen“
Häufig kennt man kein Gesicht
*
In der Regel grüßt die Ferne
In der Regel träumt man krumm
In der Regel zählt man Sterne
In der Regel ist man jung

C)
Manchmal wünscht man sich „nie wieder“
Oftmals ist man recht schräg drauf
Hin und wieder knacken Glieder
Immer wieder wacht man auf!
*
Ab und zu schläft man zu lange
Häufig ist man zu gedröhnt
Selten fühlt man sich ganz bange
In der Regel, echt verhöhnt...
*
Die Moral von der Geschicht,
Tja, die kenn ich leider nicht...

Carl-Maria Dießel ist 1953 in Berlin geboren und hat nach einer Ausbildung zum Bürokaufmann die Schauspielschule besucht - mit dem Schwerpunkt Regie und Dramaturgie. Zwischen 1975 und 2006 war er in verschiedenen Funkitonen bei der Deutschen Welle tätig. Daneben Lesungen, Publikationen und Regietätigkeiten. Seit 2006 arbeitet er als freier Autor.

Manchmal erläuterte er ganz kurz, aus welchem Anlass etwas entstanden ist, z.B. "Irrtum" enthält Gedanken zu seiner Scheidung 1986. "Es heulen Sirenen" ist am Tag geschrieben, als der Ukrainekrieg begann. Mit dem Krieg hat er sich noch weiter auseinandergesetzt: "Frost" und "Die Dikatoren". Einige Gedichte reflektierten seine Zeit als Personalrat im öffentlichen Dienst wie "Dankbarkeit" und "Vielleicht". Zu Neujahr 2024 entstand "Schlimmer geht immer" und "Hoffnung". Weitere Themen sind "Ohne Illusion" und "Imagination". Und zum Abschluss "Schreiben", "Einige Gedanken kommen mir", "Der alte Mann" und "Wir sehen uns".

LeserReporter/in:

Anita Brandtstäter aus Köln

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