Ausflug nach Bochum
Auf den Spuren der Kohle
Wesseling/Bochum - Kennen Sie Heinz Kaminski? Nein? Macht nichts, mir war der auch
völlig unbekannt. Und doch geht er mir Mann seit meinem Ausflug mit
dem Verein „Miteinander Füreinander“ nicht mehr aus dem Kopf.
Denn da oben in Bochum-Sundern, in der Nähe von Bochums höchstem
Stadtteil Stiepel, hat er gewohnt und gewirkt, der Mann, der Ende der
50er weltweite Schlagzeilen machte.
Kaminski bewies damals mit seiner 1946 daheim gebauten
Funkempfangsstation - der ersten Volkssternwarte Bochum - in der Nacht
zum 5. Oktober 1957, dass die Russen mit der Raumfahrt begonnen
hatten: er empfing als einer der ersten Menschen außerhalb des
sowjetischen Territoriums Signale von „Sputnik 1“, dem ersten
künstlichen Satelliten im All.
Dem Chemieingenieur verdankt die Stadt mit mit heute knapp 340 000
Einwohnern übrigens auch den Bau des ersten Nachkriegsplanetariums,
und immer noch steht oben in Sundern steht das „Institut für
Umwelt- und Zukunftsforschung“, die ehemalige Volkssternwarte,
welche sich im Laufe der Jahrzehnte zu einer hochrangigen
Bildungseinrichtung entwickelt hat.
Wie schön der „Pott“ durch den Strukturwandel geworden ist, das
durfte ich nun schon zum zweiten Mal mit dem Verein, der sich um
Menschen mit Behinderungen kümmert, erleben.
Einmal im Jahr nämlich gibt es einen Ausflug mit dem großen
behindertengerechten Bus, der einen speziellen Lift für
Rollstuhlfahrer hat, letztes Jahr waren wir in Duisburg.
Mitfahren dürfen aber alle, auch wer nicht zum Verein gehört.
Für 50 Euro für zwei erwachsene Nichtmitglieder sowie 5 Euro für
das Kind (8) sind wir dabei, steigen morgens um 8.30 Uhr an der
Bushaltestelle Wesseling-Mitte ein, nehmen Platz im hochkomfortablen
Bus und freuen uns auf über eine Stunde Busfahrt, mal raus aus
Wesseling.
Bis nach Bochum ist es ein Stück, und ich habe Zeit, Hubert Wanner,
Vereinsmitbegründer und unermüdlicher Kämpfer für die Behinderten
in der Stadt am Rhein, zu interviewen.
Warum denn „Miteinander Füreinander“ vor 25 Jahren gegründet
wurde, will ich wissen. „Es gab doch nichts für Behinderte“, so
Wanner. Rollstuhlfahrer hätten die Türe zum Rathaus nicht öffnen
können, bei Karstadt kamen sich nicht durch die Gänge, und in eine
Telefonzelle gleich gar nicht.
So war auch eine der ersten Aktionen Wanners, dafür zu sorgen, dass
in der Fußgängerzone eine behindertengerechte Telefonzelle
installiert wurde. Doch damit habe etwas begonnen, was noch heute
einen Großteil seiner ehrenamtlichen Arbeit ausmache: „Briefe
schreiben“, sagt er, und das mit einem leicht resignierten Unterton
in der Stimme.
Denn zwar gab es nun für Behinderte eine Möglichkeit, in der
Wesselinger Fußgängerzone zu telefonieren, wenn man denn an die
Tastatur heran käme: „Die war viel zu hoch. Also habe ich mich
hingesetzt, und wieder Briefe geschrieben“.
Während wir über die Vereinsarbeit reden, steigt die Stimmung im
Bus, das merkt man. Wir kommen ins Bergische Land, vorbei an
Remscheid, und die ersten Schilder mit dem Hinweis auf Bochum tauchen
auf. Zu unserer Linken sitzt eine Familie mit ihrem schwer geistig und
körperlich behinderten Sohn. Es ist großartig zu sehen, wie er sich
augenscheinlich freut. Weiter hinten im Bus ist Platz für die drei
Rollstuhlfahrer, die mit uns auf Tour sind. In Bochum angekommen, hat
Hubert Wanner wieder mal an alles gedacht: Es gibt eine kurze Pause am
Bahnhof, dann steigt Stadtführerin Rita zu uns. Denn auf uns wartet
eine zweistündige (!) Stadtrundfahrt, der sich eine freie Zeit mit
Gelegenheit zum Erkunden der Innenstadt anschließt, zum Abschluss
geht es - Sie ahnen es - in das berühmte Bergbaumuseum Bochum.
Und auch dort wird an die Menschen mit Behinderungen gedacht, denn es
gibt zwei Führungen, einmal für die, die besser und eine für die,
die etwas schlechter laufen können.
Bei der Führung untertage erfahren wir alles, was man über den
Bergbau wissen sollte, und vor allem auch, dass es nicht mehr lange
dauern wird, bis die letzte Zeche im Pott schließen wird, die Zeche
Prosper Haniel in Bottrop.
Denn der Kohleabbau ist durch die tiefe Lage und die hohen
Sicherheitsstandards sehr viel teurer, als woanders auf der Welt und
wird von Bund sowie Land mit Milliardenbeträgen subventioniert. Doch
2018 laufen diese Subventionen aus.
Nach einem gelungenen Tag geht es mit dem Bus wieder Richtung
Wesseling, wo wir am Abend ankommen. Alle Teilnehmer zeigen sich tief
beeindruckt von dem Tag, auch die Wesselinger, die aufgrund eines
Aufrufs im Werbekurier an der Fahrt teilgenommen hatten: „Es war
einfach großartig“, sagt eine begeisterte Wesselingerin zu mir.
Mehr Informationen zum Verein und anstehenden Fahrten bekommt man bei
Hubert Wanner unter 0 22 36/ 84 01 13.
Redakteur/in:Montserrat Manke |
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