1975
Das „Kölner Jahr“ für Wesseling
2025 ist für die Stadt am Rhein ein sehr besonderes Jahr, denn am 1. Januar vor 50 Jahren wurde Wesseling im Zuge der kommunalen Neugliederung der Domstadt Köln „zugeschlagen“.
Doch kampflos wollten sich die Wesselinger nicht ergeben, sondern ein Jahr lang kämpfte die Stadt wie keine zweite Kommune in Nordrhein-Westfalen vor dem Verfassungsgericht in Münster um das Wiedererlangen der Selbstständigkeit – und das mit Erfolg, wie wir alle wissen.
Alle Register wurden gezogen, die Bemühungen Wesselings können wirklich als fieberhaft bezeichnet werden. Treibende Kraft war die Aktion „Bürgerwille Wesseling“, die von allen Parteien, vielen Vereinen, Verbänden und Organisationen mitgetragen wurde.
Bürgermeister Martin Reglin, sein Stellvertreter Richard Schmieder und CDU-Fraktionssprecher Alfons Müller, zahlreiche Ratsmitglieder und führenden Vertreter der Stadt trommelten ohne Unterlass für das Ziel, die Selbstständigkeit wieder zu erlangen.
Am Nikolaustag des Jahres 1975 schließlich bestätigten die Richter das Wiedererlangen der kommunalen Selbstständigkeit. In der Urteilsbegründung von damals hieß es unter anderem, dass die Verfassungsbeschwerde von Wesseling im Wesentlichen berechtigt sei, denn es würde zwar stimmen, dass die Eingemeindung die Planung im Gesamtraum Köln erleichtere, aber dieser Vorteil für Wesseling nur von geringer Bedeutung sei. Auch das Argument, dass viele Wesselinger nach Köln zur Arbeit fahren würden, wurde ebenso zurückgewiesen, wie die angebliche Verflechtung Wesselings mit Köln.
Im Münsteraner Gerichtssaal brannte unterdrückter Jubel bei den 60 mitgereisten Wesselingern auf, und noch während der Verlesung der Urteilsbegründung liefen die Telefondrähte in die Stadt am Rhein heiß.
Am neuen Rathaus wurde eilig ein Transparent aufgehängt, auf dem stand „Wesseling ist wieder selbstständig“. Eineinhalb Stunden läuteten die Glocken von St. Germanus ohne Unterbrechung, und in einem Fotogeschäft auf der Flach-Fengler-Straße schallte aus einem schnell aufgebauten Lautsprecher „Happy Birthday to you“ zu Ehren der neu geborenen Stadt.
„Wesseling bliev Wesseling“ verkündete die Interessengemeinschaft „Handel und Gewerbe“ auf zahlreichen flugs gemalten Plakaten und in den ersten Geschäfte floss das Freibier, am Ende dieses Jubeltages sollten es über 10 000 Liter sein, die von den örtlichen Unternehmen spontan gespendet wurden.
Im Rathaus weinte Altbürgermeister und Ehrenbürger Anton Engels vor Glück und drehte der damalige Beschaffungsmeister des Rathauses Dietershagen eine irgendwo geliehene Drehorgel. Bürgermeister Martin Reglin wiederholte immer wieder „Münster ist eine schöne Stadt“.
Ab dem frühen Nachmittag verwandelte sich die Stadt am Rhein endgültig in eine einzige Feiermeile: auf dem Rathausplatz versammelten die tausende Wesselinger, um mit Pechfackeln den Triumph über Köln zu feiern. Binnen kurzer Zeit knubbelten sich gut 12 000 Männer, Frauen und Kinder auf dem heute nach Altbürgermeister Alfons Müller genannten Platz und der gesamten Bahnhofstraße: Fackeln brannten, Knallkörper explodierten, Raketen stiegen in den Himmel.
„Der Auftrag ist erfüllt, Wesseling ist wieder selbstständig“, rief Martin Reglin unter dem Jubel der Tausenden und als Ratsherr Alfons Müller ausrief „Wir kennen keinen Parteien mehr, wir kennen nur noch Wesselinger“ weinten viele der Bürgerinnen und Bürger auf dem Platz. Richard Schmieder von der FDP stimmte „So ein Tag so wunderschön wie heute“ an, und alle sangen und schunkelten mit. Bis tief in die Nacht wurde gefeiert, und es ist gerade für viele ältere Mitbürger Wesselings ein bis heute unvergessenes Bild!
Redakteur/in:Montserrat Manke |
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