Perfekte Bajan-Präsentation
Dmytro Zharikov im Wesselinger Rheinforum

Finale des Eichholzer Schlosskonzertes "Von Bach bis Piazzolla" mit Dmytro Zharikov, Bajan, seiner Frau Olena, Domra, und seinem Sohn Mikhajlo, Cajon.  | Foto: Anita Brandtstäter
  • Finale des Eichholzer Schlosskonzertes "Von Bach bis Piazzolla" mit Dmytro Zharikov, Bajan, seiner Frau Olena, Domra, und seinem Sohn Mikhajlo, Cajon.
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Wesseling. Der ukrainische Bajanspieler Dmytro Zharikov war auf Tournee, als vor über zwei Jahren der Krieg in seiner Heimat begann. Heute lebt er mit seiner Familie bei Tübingen. Ludger Strobel vom musikforum e.V. hatte den Solisten der Charkiwer Philharmonie und Preisträger internationaler Wettbewerbe zu einem Eichholzer Schlosskonzert unter dem Motto "Von Bach bis Piazzolla" ins Wesselinger Rheinforum eingeladen. Und im ersten Teil präsentierte er auswendig sein Klassik-Solo-Programm von Barock bis zur Romantik. 

Bei Johann Pachelbels "Chaconne in f-Moll", eines der bekanntesten erhaltenen Orgelwerke des deutschen Komponisten, füllte schon der orgelähnliche und filigrane Klang seines Jupiter Bajans den großen Saal. Weiter ging es mit zwei Werken von Johann Sebastian Bach. Aus der "Französischen Suite in G-Dur" spielte Zharikov locker und leicht die Tänze Sarabande, Gavotte und Gigue. Sie sind eigentlich für Cembalo oder Clavichord geschrieben, und zwar für Bachs zweite Ehefrau Anna Magdalena Bach. Das bekannte "Air" stammt aus der Orchestersuite Nr. 3 in D-Dur, Zharikov spielte es mit der gebotenen Ruhe.

Haydns 60 Klaviersonaten bieten enorm viel: Leichtigkeit und Ernst. Kraft und Melancholie. Besonders gilt das für die Klaviersonate Nr. 34 e-Moll, die eine Brücke zur Romantik bildet. Auch dieses Werk hat Haydn zunächst für Cembalo geschrieben, aber es klingt auch auf modernen Tasteninstrumenten wie Klavier oder Akkordeon wunderbar. Die ersten Bravo-Rufe! Ein äußerst beliebtes Werk für Akkordeonisten ist der "Winter" aus "Die vier Jahreszeiten" von Antonio Vivaldi. Im Winter 1708 fror die Lagune in Venedig zu - und dieses besondere Ereignis hat der Komponist musikalisch umgesetzt in seinem Violinkonzert in f-Moll op. 8 Nr. 4. Es beginnt starr, im Original zittern die Geigen. Doch dann kommen wilde 32-tel in der Solovioline. Das alles brachte Zharikov mit seinem Bajan und den entsprechenden Bellow-Shakes originalgetreu und äußerst wirkungsvoll 'rüber. Es wirkt so, als ob das Werk für Akkordeon geschrieben wurde. Großer Applaus und Standing Ovations.

Ebenfalls gerne im Repertoire von Akkordeonisten sind die Sonaten von Domenico Scarlatti: "Leser, seist du nun Dilettant oder Berufsmusiker, erwarte in diesen Kompositionen keine profunde Gelehrsamkeit, sondern eher ein heiteres, sinnreiches Spiel mit der Kunst, das dich der Meisterschaft des Cembalospiels näherbringen soll." Und Zharikov brachte die Sonate in D-Dur in vollem Glanz mit Humor und guten Klängen zu Gehör. Zum Abschluss des ersten Programmteils erklang die "Fantasie brillante über Themen aus der Oper Carmen" von Georges Bizet. Es ist eine Transkription von Artem Nyzhnyk für Bajan von einem 1880 veröffentlichten Werk vom französischen Flötisten François Borne. Die bekanntesten Melodien aus der Oper werden in seinem Werk für Flöte und Klavier effektvoll eingearbeitet und virtuos variiert. Insgesamt eingängig - trotz der Umspielungen der bekannten Melodien.

Der zweite Programmteil wurde durch Olena Zharikova, Domra, eingeleitet. Das ist eine in der russischen Musik gebräuchliche Schalenhalslaute mit vier Saiten, die der Stimmung einer Mandoline ähnlich ist. Sie spielte zwei Werke von Boris Mikheev, einen humorvollernWalzer "Widmung" und den lebhaften Tanz "Taratorka", bei dem der 12 jährige Mikhajlo Zharikov seine Mutter am Cajon begleitete.

Danach begann der Solo-Auftritt von Dmytro Zharikov mit unterhaltenden Stücken von Komponisten aus Osteuropa: dem Publikum gefielen seine Interpretationen  des "Nocturne"  des sowjetischen Komponisten Yuri Romanov, des 2014 komponierten "Balkan Tango" von Dražan Kosorić aus Bosnien-Herzegowina - virtuos werden Einflüsse von Balkanmusik und Tango vereint, dabei nutzt er die Möglichkeiten des Konverter-Akkordeons mit Standardbass und Melodiebass, der "Melodie" des ukranischen Komponisten Myroslaw Skoryk, die fast alle ukrainischen Musiker in ihren Konzerten nach Februar 2020 spielen, eines brillianten Walzers des beliebten russischen Komponisten Valery Kovtun, des "Jazz Waltz" des russichen Akkordeonisten Vyacheslaw Tschernikow. Den Abschluss machte der Tango Tzigane "Jalousie", der von Jacob Gade zur Begleitung eines amerikanischen Stummfilms komponiert wurde, aber zu den meist gespielten Tangos überhaupt zählt - mit seinen beiden Themen in d-Moll und D-Dur. Herausragend auch die Eröffnung mit der Etüde über "Chiquilin de Bacchin" von Astor Piazzolla vom französischen Akkordeonisten Franck Angelis, der die moderne Akkordeonliteratur entscheidend prägt.

Zum Finale gab es dann ein Duo mit Olena Zharikova - sie spielte die Melodie beim lyrischen Tango nuevo "Oblivion" von Astor Piazzolla. Und alle drei begeistern dann mit "Palladio" von Karl Jenkins, bekannt aus der Diamantenwerbung, und dem wohl bekanntesten Tango von Astor Piazzolla, dem "Libertango". Trotz des langanhaltenden Applauses gab es keine Zugabe - Dmytro Zharikov war gesundheitlich angeschlagen, aber hatte trotzdem an einem langen Konzertabend eine perfekte Präsentation des Bajans bzw. Akkordeons geliefert.

Das nächste Eichholzer Schlosskonzert mit dem Danae-Ensemble - Streichquintett und Klavierquintett - ist am 7. Juni 2024.

LeserReporter/in:

Anita Brandtstäter aus Köln

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