Marcus Schinkel Trio feat. Joscho Stephan
Ein atemberaubendes R(h)einJazz-Konzert „Classic Meets Gypsy“
Wesseling: Eine ungewöhnliche, aber überaus spannende und unterhaltsame Formation: Das Marcus Schinkel Trio feat. Joscho Stephan stellte im gut besuchten Rheinforum im Wesentlichen die Titel aus der im Februar 2019 erschienenen CD "Classic Meets Gypsy" vor. Ein Zufall hat die beiden Ausnahmemusiker Marcus Schinkel, Klassik-Jazz-Pianist aus Bonn, und Joscho Stephan, junger Gypsy-Gitarrist aus Mönchengladbach, 2015 bei den Dresdener Jazztagen zusammengebracht. Bei einer nächtlichen Jam-Session entstand die Idee, klassische Themen mit Zigeunerjazz zu kombinieren. Denn schon Beethoven hörte beim Wiener Kongress vor gut 200 Jahren den Geiger Janos Bihari und war äußerst beeindruckt von seiner rythmischen Gypsy-Musik.
In einer fröhlichen und beschwingten Ouvertüre mit effektvollen Pausen stellten sich die vier Musiker vor: mit „Die Wuth über den verlorenen Swing“ nach Ludwig van Beethovens "Alla Ingharese", op. 129. Schinkel und Stephan überboten sich mit effektvollen Läufen auf der Klaviatur und den Saiten der Gitarre. "Beethoven hätte das gefallen", meinte Marcus Schinkel in seiner Abmoderation, "denn er hatte musikalischen Humor." Danach gleich die "Swingin‘ Patetique", ebenfalls von Ludwig van Beethoven, nach dem "Rondo Pathétique", op. 13, kein bisschen schwermütig, sondern leicht und fröhlich, dargeboten außerdem von Fritz Roppel, souverän am Kontrabass und ruhender Pol, sowie Martell Beigang, der kurzfristig für den erkrankten Wim de Vries am Schlagzeug eingesprungen war, beide aus Köln.
Weiter ging es mit Klassikern, dem heißblütigen "Liebestraum" von Franz Liszt, op. 62, mit pianistischer Raffinesse. Und Schinkel erläuterte, dass Liszt zu seiner Zeit eine wahre "Beatles-Mania" ausgelöst hat: seine Fans hätten Zigarettenstummel und von ihm geleerte Cognacgläser gesammelt, bei einem Konzert soll ihm sogar eine Haarlocke abgeschnitten worden sein. Die "Nachklänge aus dem Theater" nach Robert Schumanns "Album For The Young", op. 68, durfte dann Stephan anmoderieren. Er behauptete scherzhaft, dass er Schumann gar nicht gekannt habe, sondern Klassik-Unterricht bei Schinkel nehmen musste, dass diese Komposition aber nicht so schwer sei - vier ihm bekannte Akkorde. Und so kam die Musik mit Latin-Feeling rüber.
Vor der Pause "Four In Four" von Ludwig van Beethoven nach der Symphony No. 4, Mvt. 4, op. 60 - die richtige Verkaufsförderung für die CDs der Musiker. Mit den Originalnoten der Melodie - verbunden mit "Rhythm Changes", den jazz-harmonischen Akkordübergänge von George Gershwins "I Got Rhythm". Aber wieder mit atemberaubenden Soli von Schinkel und Stephan. Im zweiten Konzertteil dann "Non So Più" aus Wolfgang Amadeus Mozarts "Le Nozze di Figaro", KV 492; Schinkel berichtete von der Genialität des Komponisten, er hatte ein fotografisches Gedächtnis und konnte noch nach Monaten ein gehörtes Orchesterstück in allen Stimmen niederschreiben. Und "Ode To New Joy", also noch einmal Ludwig van Beethoven aus der Symphony No. 9, Mvt. 4, op. 125, als großartiges Finale mit dem vielseitigen Roppel am E-Bass.
Die CD enthält auch einen kleinen Abstecher in die Filmmusik des 20. Jahrhunderts: "Brucia La Terra" aus "Der Pate" von Nino Rota beweist, dass Musik keine Grenzen hat, im Beguine-Rhythmus glänzte Schinkel mit der Melodica. Diese begleitet ihn schon lange Zeit, denn als er in den Anfangsjahren seiner Karriere mit der Band von Vico Torriani nach Kalifornien reisen wollte, musste er den "Ententanz" spielen - da er dem Bandleader nicht gut widersprechen konnte, spielte er auf der Melodica mit eine großen Portion musikalischen Humors. Schinkel hat übrigens alle Arrangements der CD geschrieben.
Das Programm wurde in Wesseling ergänzt mit einigen typischen Gypsy-Nummern, die Stephan einbrachte, anmoderierte und mit seinen Soli ausgestaltete: die "Ballad pour Django", die er seinem großen Vorbild Django Reinhardt, dem Begründer des europäischen Jazz, gewidmet hat, "Sie will nicht Blumen, will nicht Schokolade" nach dem jiddischen Lied "Joseph Joseph" von den Andrews Sisters, das zu seiner Zeit in Deutschland verboten war, und die "Bossa Dorado" von Dorado Schmitt, mit deren Live-Aufnahme von 2007 im Lincoln Center Stephan immerhin fast 800.000 Klicks auf YouTube verzeichnet.
Nicht zuletzt, weil "in Wesseling die besten Zuhörer sind" und "Wesseling so schön ist", so Stephan in seiner Moderation, spielten die Musiker noch zwei Zugaben - eine mitreißende Gypsy-Nummer und einen ruhigen Jazz-Standard.
Wirklich ein atemberaubendes Jazz-Konzert, das wieder einmal zeigt, dass Musik verbindet - in jeder Beziehung.
Wer das R(h)einJazz-Konzert in Wesseling verpasst hat: das Marcus Schinkel Trio feat. Joscho Stephan ist am 2. Juni in der Galerie Schageshof in Willich und am 5. Juli im Jazzclub Hürth zu erleben.
5 Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.