LJAO NRW unter Silke D'Inka
Originalmusik und sinfonisches Repertoire
Wuppertal/Wesseling. Im September 2021 erst hatte das LandesJugendAkkordeonOrchester Nordrhein-Westfalen ein großartiges Gemeinschaftskonzert mit dem LJAO Bayern im Brückenforum Bonn mit einem klassischen Beethoven-Programm gegeben. Es war gleichzeitig die Verabschiedung von Gerhard Koschel, der das Orchester vier Jahre geleitet und mit ihm unter anderem eine Konzertreise nach Costa Rica gemacht hatte.
In nur vier Wochenendproben hatte nun Silke D'Inka die jungen Musikerinnen und Musiker auf ein abwechslungsreiches Programm zwischen moderner Originalmusik für Akkordeon und Bearbeitungen des klassisch-sinfonischen Repertoires für das Konzert im März 2022 in der schönen Kulturkirche Immanuel in Wuppertal vorbereitet. Sie ist Bundesdirigentin des Deutschen Harmonika-Verbands, wo sie sich seit vielen Jahren ehrenamtlich engagiert. Daneben ist sie Geschäftsführerin des herausragenden Akkordeon-Landesjugendorchesters Baden-Württemberg und auch über zwei Jahre seine musikalische Leiterin. Studiert hat sie am Hohner-Konservatorium Trossingen und absolvierte im Anschluss daran Meisterklassen in Dirigieren und Arrangement. Zudem studierte sie Musikwissenschaft und Psychologie an der Universität Freiburg.
Martina Schubert, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Harmonika-Verbandes Nordrhein-Westfalen, übernahm die Begrüßung. Das Orchester wird gefördert vom Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen, vom Landesmusikrat NRW und vom Deutschen Harmonika Verband NRW. Es besteht aus rund 20 jungen Leuten, die in der Regel zwischen 16 und 26 Jahre alt sind. Ziele des Orchesters sind die Förderung der musikalischen Fortbildung ausgewählter Amateurmusiker und die Verbreitung von Akkordeonmusik.
Höhepunkte des Programms waren drei ganz unterschiedliche Originalkompositionen: "The Colors" von Slavko Šuklar bietet die ganze Palette der Farben eines Akkordeonorchesters: von nahezu unhörbar zart steigert sich das Stück in seinen vielfältigen Klangfarben nach und nach, bis es gewaltig, rhythmisch und mächtig wird. Die jungen Musiker brachten die Kontraste in Dynamik und Artikulation überzeugend 'rüber. Ein Klassiker der Akkordeonorchester-Literatur ist die "Werziade I" von Fritz Dobler, 1972 uraufgeführt. Silke D'Inka bot mit dem Orchester eine frische Interpretation - mit der treibenden Motorik des Themas, mit intensiver Dynamik bis zur rauschhaften Bewegung. Im kontrastierenden Mittelteil eine Kadenz des Electroniums und eine gefühlsbetonte Melodie. "Tetraeder" von Hans-Günther Kölz begeistert die Spielerinnen und Spieler sichtlich mit seinen ungeraden Taktarten und mit den Passagen über mehrere Stimmen - wie Lichteinfälle auf Spiegeln. Kölz hatte das Werk für ArtAccA, ein Auswahlorchester mit Mitgliedern aus ganz Deutschland unter Leitung von Tobias Dalhof, geschrieben - mit Bezug auf die Aussichtsterrasse in Form einer dreiseitigen Pyramide auf der Halde Beckstraße in Bottrop. In vier Abschnitten geht es um Aufbruch, Auflösung, Ankunft und Rückkehr - die geometrische Figur wird dabei musikalisch umrundet und erklommen.
Das Programm wurde zu Beginn und zum Ende eingerahmt durch klassische Werke. Als Ouvertüre ein Arrangement aus der Oper "Allesandro Stradella" von Friedrich von Flotow, uraufgeführt 1844 in Hamburg. Die Oper handelt von der abenteuerlichen Biografie des italienischen Komponisten Alessandro Stradella - mit vielen einschmeichelnden Melodien. Und zum Abschluss der bekannte "Trepak" von Pjotr Iljitsch Tschaikowski aus der "Nussknackersuite" von 1892. DIe lebhafte Musik basiert auf einem traditionellen russischen und ukrainischen Volkstanz.
Im Mittelteil noch drei wirkungsvolle Werke, die durch das Bandoneon oder in Akkordeon-Versionen bekannt geworden sind. Nach dem Jubiläumsjahr 2021 zum 100. Geburtstag des argentinischen Komponisten Astor Piazzolla durfte ein Tango nuevo nicht fehlen. Silke D'Inka hat einen der bekanntesten im anspruchsvolle Arrangement von Ralf Schwarzien ausgewählt: "Adios Nonino", den der Bandoneonspieler 1959 zum Abschied von seinen verstorbenen Vater geschrieben hat. Ihn ereilte die überraschende Nachricht in Puerto Rico auf einer Konzerttour, die nicht den gewünschten Erfolg brachte. In einer depressiven Stimmung voller Heimweh und Melancholie schrieb er das Werk in wenigen Stunden. In diesen Tagen wurde es wieder oft gespielt - in Erinnerung an die Hochzeit von Prinz Alexander und Prinzessin Maxima der Niederlande am 02.02.2002. Die Werke des 1958 gestorbenen serbischen Komponisten Stevan Hristić sind bei uns weniger bekannt, obwohl er in Leipzig, Rom, Moskau und Paris studiert hat. Die "Legende von Ohrid" ist ein 1947 uraufgeführtes Ballett nach einem Volksmärchen. Der fröhliche Satz "Grlica" daraus, auf Deutsch "Turteltaube", wurde in Akkordeonkreisen bekannt, denn der Gewinner der Höchststufe beim World Music Festival in Innsbruck 2013 hat es im Saal Tirol gespielt, das Akud Sonja Marinkovic Orchester aus Novi Sad begeisterte damit sowohl die Zuhörer als auch die Jury. "Asturias" des spanischen Komponisten Isaac Albéniz ist einer der Sätze aus der Suite española op. 47 von 1886, die eine Hommage an bekannte Regionen und Städte seines Heimatlandes darstellt. Das eigentlich für Klavier geschriebene lebhafte Werk ist bei Gitarristen sehr beliebt - und es gibt auch eine bekannte Solo-Version für Akkordeon. Im Konzert erklang das anspruchsvolle Arrangement von Wlodzimierz Lech Puchnowski.
Zwei Zugaben erklatschten sich die Zuschauer mit Standing Ovations: "Excercis" des russischen Komponisten Oleg Gamajunov, von der Leiterin für Akkordeonorchester arrangiert - und noch einmal "Grilica". Das LandesJugendAkkordeonOrchester Nordrhein-Westfalen dankte seiner Dirigentin herzlich - die Leitung übernimmt jetzt Sascha Davidovic. Nachwuchs wird immer gesucht. Es warten wieder interessante Arbeitsphasen, Konzerte und tolle Konzertreisen auf die jungen Spieler.
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