Emotionale und hochklassige Kammermusik
Sounds of Ukraine in St. Germanus

Klaviertrio in St. Germanus im Rahmen des Benefiz-Festivals "Sounds of Ukraine" mit Natalia Gordeyeva, Violina Petrychenko und Maksym Rymar.  | Foto: Anita Brandtstäter
  • Klaviertrio in St. Germanus im Rahmen des Benefiz-Festivals "Sounds of Ukraine" mit Natalia Gordeyeva, Violina Petrychenko und Maksym Rymar.
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Wesseling. Ein Höhepunkt des Benefizfestivals "Sounds of Ukraine" in St. Germanus, das die in Köln lebende ukrainische Pianistin Violina Petrychenko mit insgesamt fünf Konzerten in Wesseling, Monheim und Bonn organisiert hat, war das Sonntagskonzert im Pfarrsaal. Ihr Ziel ist es, Musikerrinnen und Musiker zusammenzubringen, die mit ihr einen Traum verfolgen, nämlich dass Europa und insbesondere Deutschland die faszinierende Vielfalt ukrainischer klassischer Musik verschiedener Epochen, Stile und Stimmungen kennenlernen und genießen kann. Der Eintritt war frei, es wurde aber um Spenden gebeten, die an bedürftige Menschen gehen, die vom Krieg in der Ukraine betroffen sind und obdachlos wurden. So konnten jetzt 2.400 Euro an eine ukrainische Hilfsorganisation überwiesen werden.

Am Freitag begann das Festival mit Kammermusik für Violine und Klavier aus vier Jahrhunderten ukrainischer Musikgeschichte im Pfarrsaal unter dem Titel "Ukrainisches Poem" mit der Geigerin Natalia Gordeyeva, einer Studienfreundin von Petrychenko, die im Februar 2022 ihre Musikschule in Kiew verließ und nach Dänemark ging. Am Samstag ging es weiter mit dem Konzert "Ukrainische Romanze" in der 1894 gebauten dreischiffigen Pfarrkirche - von Volksliedern bis zu Opernarien in ukrainischer Sprache - mit Liliya Nikitchuk, Mezzosopran am Nationalen Opern- und Balletttheater Lemberg. Und am Sonntag war dann ein Kammermusikabend wieder im Pfarrsaal angesagt, in dem die beiden Komponisten Vasyl Barvinsky (1888-1963), der der Neoromantik und dem Impressionismus zugeordnet werden kann, und Myroslav Skoryk (1938-2020), der zeitgenössische Musik mit Wurzeln in der Volksmusik schrieb, vorgestellt wurden. Zu Natalia Gordeyeva und Violina Petrychenko gesellte sich noch der Cellist Maksym Rymar, Solist des Nationalen Opern- und Balletttheaters Lemberg. Unterstützt wurden diese drei Konzerte von der Stadt Wesseling und der Katholischen Kirchengemeinde, die die Räumlichkeiten kostenlos zur Verfügung stellte. Die 1. stellvertretende Bürgermeisterin Monika Engels-Welter freute sich über den Erfolg - es waren viele Besucher aus dem ganzen Köln-Bonner Raum gekommen - und dass sie mithelfen konnte, den Traum von Violina Petrychenko wahr werden zu lassen.

Violina Petrychenko stellte in ihrer Moderation auch die beiden Komponisten aus Lemberg vor, die dieses Jahr Jubiläen haben: Vasyl Barvinsky wäre 135 Jahre alt geworden und ist vor 60 Jahren gestorben. Er war zu Beginn des 20. Jahrhunderts einer der angesehensten Musiker in der Ukraine und gab Konzerte in ganz Europa, seine Werke wurden auf der ganzen Welt aufgeführt, er war mehr als zwanzig Jahre Rektor des Konservatoriums in Lemberg. Den sowjetischen Behörden war seine seiner pro-ukrainische Position ein Dorn im Auge und sie beschuldigten ihn 1948 der Spionage. Seine Werke wurden verbrannt und er selbst wurde zehn Jahre im Gulag interniert. Als alter Mann versuchte er, aus dem Gedächtnis einige seiner Werke zu rekonstruieren.

Das Manuskript seiner Bearbeitung des "Traum" für Cello und Klavier, einer ukrainischen Volksmusik von Mykola Lysenko, ist erst im Juni 2023 wieder aufgetaucht. Auch seine viersätzige "Suite für Cello und Klavier" war lange verschollen, sie erklang am Sonntag zum ersten Mal in Deutschland. Die Musik wird sehr emotional, aber perfekt aufeinander eingespielt präsentiert. Die Satzbezeichnungen Einführung - Humoreske - Wiegenlied - Tanz sind eher wenig charakteristisch für die harmonische Verbindung von zarten Melodien und komplexen Arrangements, auf die sich die Zuhörerinnen und Zuhörer leicht einlassen können.

Beim 2. Satz des "Piano-Trio a-Moll" mit der Satzbezeichnung Wiegenlied meinte Petrychenko: „Nehmen Sie es einfach als ein wunderschönes ukrainisches Lied mit verschiedenen Stimmungen“. Immer wieder neue Themen werden nebeneinander gestellt, es wechseln schnellere und langsamere Teile, aber immer tänzerisch. Und auch hier kann sich das Publikum an dem tollen Zusammenspiel erfreuen, insbesondere der exakten Unisono-Passagen der Streicher und die emotionale Begleitung durch das Klavier.

Myroslav Skoryk wäre dieses Jahr 85 Jahre alt geworden.  Er war Volkskünstler der Ukraine, Preisträger des Schewtschenko-Nationalpreises und weiterer Ehrenzeichen. Der zeitgenössische Komponist verband in seinen Werken ethnisches Flair mit Methoden der neuen Musik.  Auch er hat einige Jahre in Sibirien zugebracht, aber als Kind. Er widmete sich besonders der Komponistenausbildung, konzertierte aber auch in Europa, Amerika und Australien. Seine Wurzeln in der volkstümlichen Musik zeigt die "Karpatische Rhapsodie" für Violine und Klavier, in der Natalia Gordeyeva glänzen konnte. Sie spielte auswendig und frei auf, die virtuos-brillante Komposition hat durchaus Ohrwurm-Charakter.

Weitere Premieren waren Werke der Neuen Musik von Skoryk, seine "A-RI-A für Cello und Klavier", die 1994 mit Streichorchester uraufgeführt wurde, und das dreisätzige "Trio Nr. 2 d-Moll" für Violine, Cello und Klavier, das erst 2015 komponiert wurde. Man hört eher Rudimente von Melodien, glanzvoll sind wieder Unisono-Passagen der Streicher im Wechsel mit dem Klavier. Die Komposition schöpft die Möglichkeiten der Instrumente in den Solopassagen voll aus, das Klaviersolo wird aber auch schon mal ganz entspannt von Pizzicati der Streicher begleitet.

Nach diesem magischen Abend, der sich in jeder Note des Konzerts entfaltete, mit nuanciertem Ausdruck, lebendigen Rhythmen, phantasievollen Melodien und vielfältigen Stimmungen gab es minutenlange Standing Ovations. Das macht sicher Mut, aus diesem Festival eine Institution zu machen, vielleicht auch mit größeren Besetzungen. Als Zugabe erklang die "Melodie" in a-Moll von Skoryk, die dieser stets bei seinen Konzerten zum Abschluss gespielt hat, ursprünglich 1982 als Filmmusik geschrieben, ukrainischen Volksliedern abgeschaut, inzwischen die zweiten Hymne der Ukraine, leidenschaftlich gespielt von den drei hervorragenden Künstlern.

Die beiden weiteren Konzerte des Festivals "Sounds od Ukraine" sind

  • am 2. November um 19 Uhr in der Aula, Berliner Ring 7, in Monheim am Rhein "Klavier vierhändig", mit Oliver Drechsel
  • am 15. Dezember um 19 Uhr im Klavierhaus Klavins, Auguststraße 26-28, in Bonn-Beuel,  "Ukrainische Weihnachten" für Klavier Solo.
LeserReporter/in:

Anita Brandtstäter aus Köln

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