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Venedig ohne Touristen, da muss man einfach hin.
Viva Venezia

Rialto-Brücke aus der Gondel gesehen
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„Semifreddo alla pesca bianca con crema di ciocollato ruby e meringa alla verbena“ ist nicht einfach ein italienischer Satz. Hört man, wie ein Italiener diese Worte ausspricht, ist die Arie schon halb fertig. Ah, ich könnte stundenlang zuhören, ohne ein Wort zu verstehen. Ich bin mir sicher, als Giuseppe Verdi einmal bei einem der alle paar Meter in Venedig aufzufindenden Eisverkäufer ein Eis bestellt hat, haben die Zuhörer gleich getuschelt „Er arbeitet an einer neuen Oper!“. Und vielleicht geht es ja in Verdis Opern ums Essen? Immerhin hört sich Rigoletto auch nicht viel anders an als Rigatoni.
 
Einen Besuch von Venedig muss jeder mal machen, der Wert auf seine Ehe legt. Und die Corona-Situation sorgt dafür, dass so ein Besuch momentan viel Spaß macht. Venedig ist leer, Hotels bieten mächtige Rabatte an, und vor allem: die Einheimischen sind freundlich. Man freut sich, nach der langen Ruhe wieder Besucher zu haben. Keine Asiaten, kaum Amerikaner, viele Italiener. Die besten Voraussetzungen, um hinzufliegen und das italienische Leben zu genießen.
 
Nun stammt meine erheblich bessere Hälfte aus Mexiko, was uns immer mal wieder nach Spanien treibt, allein schon wegen der Sprache. Aber Italien ist einfach anders, faszinierend. Die Oper spielt sich überall ab, mit Melodien, mit Gestik, mit Drama. So steht beispielsweise ein junger Mann mitten auf dem Markusplatz und spricht mit seiner womöglich Zukünftigen per Smartphone. Er hält sein Telefon vors Gesicht, damit sie ihn auch gut sehen kann. Trotzdem bleibt die freie Hand natürlich nicht still, die Gestik gehört mit zur Aussprache. Die Holde am anderen Ende sieht also nur die Hälfte seiner Liebeserklärung. Vielleicht gibt es hier einen Trend zum Zweit-Phone, damit die Gesten auch übertragen werden können? Aber das wäre schon wieder zu deutsch-unternehmerisch gedacht.
 
Neben den üblichen Besichtigungen sind Essen und Trinken in Italien sehr wichtig. Das braucht Zeit, und eine Flasche Wein zum Mittagessen gehört eben dazu. Wir passen uns an, schließlich will man ja nicht gleich als Ausländer auffallen. Man setzt sich in eines der vielen Restaurants und bestellt. Kleiner Tipp: man rege sich über Preise in Venedig auf, bevor man hinfährt. Dann kann man dort entspannt genießen. Vorspeise, irgendwas mit Fisch, dann die unvermeidliche Pasta, zum Hauptgang dann wieder Fisch. Weine gibt es ohne Ende. Ich glaube, in ganz Italien gibt es keinen schlechten Wein, das würde der Winzer nicht überleben. Poggio alle Gazze passte hervorragend zu unserem kleinen Mittagessen, das wir inmitten von einheimischen Geschäftsleuten zu uns nahmen. Da war dann auch die Kommunikation mit dem Kellner kein Problem mehr. Er konnte so viele englische Brocken wie wir italienische.
 
Und dann quatschen wir uns fest. Wirklich. Auch nach über 40 Jahren gibt es noch so viel zu sagen, wenn man mit der besten Ehefrau von allen ein hervorragendes Essen genießt, dazu einen großartigen Wein, und dann die Welt um sich herum vergisst. Sagte ich schon, dass es frisch gemachte Linguini mit am Tisch geriebenen Trüffeln gab? Allein dafür lohnte sich schon die Reise nach Venedig.
 
Es sind solche Momente, die einem auf Jahre im Gedächtnis haften bleiben. Einfach mal loslassen und genießen. Die Zeit vergessen, den Plan vergessen. Noch eine Flasche Wein? Bitte sehr. Due Espressi? Ma certo. Festzustellen, dass man mit der einzigen Frau dort sitzt, mit der man dort sitzen möchte? La dolce vita.
 
Unser Kellner hätte uns fast adoptiert. Wir schätzten sein Essen, seinen Wein, seine Lebensweise. Und nach drei Stunden, als wir die Letzten im Restaurant waren, sagte uns niemand „bitte austrinken, wir schließen gleich“. Niemand wollte uns stören, uns ging es gut.
 
Wenn es Italien nicht gäbe, man müsste es erfinden.

LeserReporter/in:

Dieter Weidenbrück aus Wesseling

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