Gedenkstunde Landjuden
Langes Schweigen - späte Ehrung
Windeck. Bis zu seinem Tod im Jahr 1974 lebte Oskar Schindler in sehr bescheidenen Verhältnissen in Frankfurt am Main. Weltberühmt wurde er erst im Jahr 1993. Steven Spielbergs mit sieben Oscars prämierter Film „Schindlers Liste“ holte ihn endlich aus dem Schattendasein ans Licht. Bei der offiziellen Gedenkstunde des Rhein-Sieg-Kreises zum 86. Jahrestag der Novemberpogrome 1938 in der Salvator-Kirche in Rosbach beleuchte Schulpfarrerin a. D. Annette Hirzel „Langes Schweigen – späte Ehrung: Zum 50. Todestag von Oskar Schindler“.
In der gut besuchten Kirche eröffnete die Gruppe Saitensprung mit feierlich-ergreifender Klezmer-Musik aus dem jiddischen Schtetl die Erinnerung an die Hetze, Pogrome und entfesselte Gewalt gegen die jüdische Bevölkerung, die bald in deren Vernichtung münden sollte. „Gerade in diesen Zeiten dürfen wir den 9. November nicht vergessen, der die letzten Hürden 1938 hat fallen lassen und Elend über die Welt gebracht hat“, spielte Vizelandrätin Notburga Kunert auf den wachsenden Antisemitismus seit dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober vor einem Jahr an. „Wir wollen entgegenwirken, es darf nicht bei einem Gedenktag bleiben. Die Probleme in der Welt und der Unfrieden steigen stetig.“ Damit Demokratie in Deutschland und der Welt weiterbestehen, sei es an der Zeit, Mut zu haben, Hass gegen andere dürfe es nicht geben.
„Wir müssen uns erinnern, wer sich nicht erinnert, muss alles neu machen“, mahnte die Bundestagsabgeordnete Elisabeth Winkelmeier-Becker, die auch die Vorsitzende vom Förderverein der Gedenkstätte „Landjuden an der Sieg“ ist. Gesellschaftliche und politische Ausgrenzung hätten harmlos angefangen. „Ausgrenzung wegen Glaube und Herkunft findet heute wieder statt. Jüdisches Leben muss bei uns sichtbar und vielfältig sein, das ist ein Vertrauensbeweis. Antisemitismus darf nicht salonfähig werden.“
Judentum und Holocaust-Didaktik war Annette Hirzels Schwerpunkt an einem Siegburger Gymnasium, wo sie bis 2021 unterrichtete. In ihrem Vortrag interessierte sie der Aspekt, warum ein Mann wie Schindler erst so spät Ehrung für sein Wirken erfuhr und erst posthum sehr berühmt wurde. Im Zweiten Weltkrieg war der Industrielle bereit gewesen sein gesamtes Vermögen und sein Leben einzusetzen, um seine mehr als 1200 seiner jüdischen Fabrikarbeiter sicher durch den Krieg zu bringen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit hatte Hirzel Original-Töne aus verschiedenen Quellen gesammelt, die einen Blick auf die Umstände, unter denen Oskar Schindler nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Deutschland (und Israel) lebte. In Deutschland erhielt er zwanzig Jahre nach Kriegsende die erste Ehrung, das Bundesverdienstkreuz I. Klasse.
Nach dem Krieg war das mittellose Ehepaar Oskar und Emilie Schindler nach Argentinien ausgewandert, wo sie sich allerdings bald trennten.
1957 ging Schindler nach Frankfurt zurück. Finanzielle Hilfe erfuhr er immer wieder durch gerettete Juden in Amerika und Israel. Als er 1962 erstmals Israel besuchte, pflanzte er selbst - noch unter Protest von Opfern des Holocaust, aber im Beisein hunderter seiner Geretteten - einen der ersten zwölf Johannisbrotbäume in der Jerusalemer Gedenkstätte Yad Vashem. Im Jahr 1967 erkannte die Gedenkstätte ihn und seine Frau offiziell als „Gerechte unter den Völkern“ an. Von sich selbst hatte Schindler gesagt:
„Weit entfernt bin ich davon, ein Heiliger zu sein, habe als maßloser Mensch viel mehr Fehler als der große Durchschnitt derer, die so sehr gesittet durchs Leben schreiten. Die Achtung vor dem Menschen konnte ich mir erhalten und verteidigen.“
Freie/r Redaktionsmitarbeiter/in:Sylvia Schmidt aus Windeck |
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