Melissa Quint sprach zur Gedenkstunde
Leidensweg des Großvaters nicht vergessen

Die Schulpfarrerin des Anno-Gymnasiums in Siegburg unterstützt ihre Schülerin und begleitete sie auch zum Vortrag in der Gedenkstätte in Rosbach. Melissa Quint hat ihre Recherchen zum Großvater Willi Kessler zu einem aufrüttelnden Vortrag verarbeitet. | Foto: Schmidt
  • Die Schulpfarrerin des Anno-Gymnasiums in Siegburg unterstützt ihre Schülerin und begleitete sie auch zum Vortrag in der Gedenkstätte in Rosbach. Melissa Quint hat ihre Recherchen zum Großvater Willi Kessler zu einem aufrüttelnden Vortrag verarbeitet.
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Rosbach - „Ich war ein Gefangener in einem Land, das meine Sprache
spricht“, diese Worte stammen von Willi Kessler, der den Holocaust
überlebte.

Er war acht Jahre alt, als die Nationalsozialisten in Deutschland an
die Macht kamen. In Auschwitz verlor er seine komplette Familie. Als
er 1993 starb, war seine Enkelin Melissa Quint noch nicht geboren.
Heute ist es die mittlerweile 18-Jährige, die stellvertretend für
ihren Großvater redet, damit das, was er erlebt hat, nicht in
Vergessenheit gerät. 

Die Schülerin des Anno-Gymnasiums in Siegburg hielt zum Jahrestag der
Novemberpogrome 1938 den zentralen Vortrag  bei der Gedenkstunde in
der Gedenkstätte „Landjuden an der Sieg“ in Rosbach.

Großvater auf einem Foto erkannt

Sich so jung mit den furchtbaren Erlebnissen eines nahen
Familienmitglieds auseinander zu setzen und darüber öffentlich zu
reden, verdient den allergrößten Respekt. Der Vater hatte ihr einige
Dinge erzählt, als sie in der sechsten Klasse beim Besuch des
Auschwitz-Zeitzeugen Naftali Fürst mehr über die Zustände im
Konzentrationslager erfuhr. Auf einem gezeigten Foto meinte sie ihren
Großvater zu erkennen.

Darüber sprach sie mit ihrer Religionslehrerin und Schulpfarrerin
Annette Hirzel, die sie fortan bei Recherchen zum Großvater
unterstützte. Sowohl Anno-Pfarrerin als auch Schulleiter Sebastian
Klaas begleiteten sie zum Vortrag in der Gedenkstätte.  Noch am
gleichen Morgen hatte es einen Festakt im Anno-Gymnasium gegeben, bei
dem die Schule ins Netzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit
Courage“ aufgenommen wurde.

 

Umfangreiche Recherche

Sehr gesammelt trug die Schülerin dann vor, was sie aus Erzählungen
des Vaters, aus Unterlagen des Großvaters und aus Archiv-Unterlagen
der Gedenkstätte Buchenwald recherchiert hatte.

13. Januar 1943 - Der Tag an dem sich alles änderte

Ihr Großvater wuchs in Berlin auf, sein Vater, ein Schneidermeister,
hatte für seine Dienste im Ersten Weltkrieg das Eiserne Kreuz
erhalten. Als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, merkte der
Junge erstmals, dass sich etwas änderte, als seine christlichen
Freunde sich zurückzogen. Nach der  „Reichskristallnacht“ floh
die sechsköpfige Familie nach Belgien, wurde von der Gestapo
aufgegriffen und nach Verhören mit Misshandlungen zurück nach
Deutschland geschickt. Am 13. Januar 1943 änderte sich alles im Leben
der Kesslers. Trotz Warnung, wollte Willi bei seiner Familie sein, als
die Gestapo sie abholte zum Weitertransport nach Auschwitz.

 

Grausame Gewalt

 „Mein Urgroßvater wurde nach der Ankunft in Auschwitz vor den
Augen seiner Familie zu Tode geprügelt“, erzählt die junge Frau
und berichtet über die Gräuel, die ihr Großvater über sich ergehen
lassen musste. Einem Bruder wurde der Schädel durchtrennt, der andere
vergast. Als Willi Kessler  dann auch noch vom Tod von Mutter und
Schwester erfuhr, war sein letzter Funke Hoffnung tot.

Unbedingter Lebenswille

Überliefert ist sein gefasster Entschluss  „Einer muss überleben,
daran habe ich alles gesetzt“. Mit diesem unbändigen Willen gelang
es ihm selbst den Todesmarsch nach Buchenwald ohne Kleidung im Winter
zu überstehen.  Dort befreiten ihn die Amerikaner am 11. April 1945.
„Mein Opa wog bei der Befreiung 32 Kilogramm.“

"Wir müssen die Geschichte weitertragen"

In Ehren hält die Familie das  Gedicht „Auschwitz Warum?“ von
Willi Kessler, das seine Enkelin unter Tränen vortrug, die viele
Zuhörer mitweinten.  Zu ihrer Motivation meinte diese
außerordentliche junge Frau: „Mein Opa wollte immer über seine
Erlebnisse reden, er hatte als Zeitzeuge damals keine Gelegenheit
dazu. Mein Vater, meine Tante und ich sind die einzigen Überlebenden,
wir müssen seine Geschichte weitertragen.“

- Sylvia Schmidt

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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