Auf Sendung mit den Bestgens
Wo der Hausherr mit den Hühnern französisch sprach
Schladern - Amüsiert beobachtete die Familie vom Fenster aus, wenn Otto Bestgen
im Garten mit seinen Hühnern redete. Pardon, wie unfein, nein er
parlierte mit seinen flatterhaften Lieblingen, denn in der
Türmchensvilla am Bahnweg in Schladern in Richtung Altwindeck fand
die innerfamiliäre Konversation bis in die 1980er Jahre
ausschließlich auf Französisch statt.
Das monatliche Erzählformat „Auf Sendung“ von WiWa und
Bürgerverein Schladern hatte eingeladen zum Thema „Frau Orthmann
und die illustre Familie Bestgen“. Der Treffpunkt in der Backstube
im Schladerner Bahnhof platzte aus allen Nähten. Nicht nur
Dorfbewohner, Besucher aus Waldbröl, Au, Dattenfeld, Leuscheid,
Alsen, Herchen, Dreisel und Rosbach wollten keinesfalls verpassen, was
Therese Orthmann zu erzählen hatte. Die heute 81-Jährige beschrieb
ihre 2016 verstorbene Freundin Helga Bestgen treffend: „Mit Helga
ging die Sonne auf!“ Dann gab es hinreißende Anekdoten aus der
Familie zu hören.
Als Deutschstämmige mussten die gebildeten und gut betuchten Bestgens
Belgien mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges verlassen. Die Brüder
Otto, Leo und Herbert zogen mit ihren Familien und mit der
unverheirateten Schwester Tante Martha in die viel zu kleine
Türmchensvilla, denn ihnen gefiel es beengt unter einem Dach zu
wohnen. Allesamt waren sie verliebt ins Leben und in die Menschen,
ihre Türe war für Besucher weit geöffnet. „Dabei waren sie
aufrecht, sparsam und ohne Dünkel“, beschreibt Therese Orthmann die
Bewohner und lässt sie mit ihren Erzählungen lebhaft auferstehen und
um die Wette schillern.
„Gute Tach“, empfing Empfangschefin Tante Martha, die nie richtig
Deutsch lernte, den Schornsteinfeger. „Kannste mit deinem Plumeau
mal durch unseren Kamin gehen?“ Major Herbert Bestgen war ein toller
Stratege, der im Palästina-Krieg gekämpft hatte. Tante Seppi war die
schöne Frau Major, die in Münchener und Berliner gehobenen Kreisen
hofiert worden war und sich in der Nachkriegszeit im Fringsen (Kohlen
klauen) übte. „Klärchen, wo sind denn unsere Werfer“, rief sie
ihrer Schwägerin verwundert zu, als sie merkte, dass sie selbst
Brikett auflesen sollte. Das „Klärchen“ platzte vor Temperament
und Lebenslust. Ihre Kirchenbesuche waren die einer Königin, winkend
und nach beiden Seiten grüßend hielt sie bestens aufgelegt Einzug.
Ehemann Leo war Prokurist bei Elmores mit ausgeprägtem Hang zum
Tüfteln und Erfinden. Das Türmchenzimmer war belegt mit einer
großen Eisenbahn, unter der Wohnzimmerdecke tuckerte eine
Schwebebahn. Elmar Walter beschrieb seine kindlichen Eindrücke: „Es
war der Eintritt in eine verzauberte Welt mit verspielten
Bewohnern.“ Der Humor machte auch vor dem Tod nicht Halt. So plante
Helga Bestgen im Alter ihre Seebestattung bis auf die Frage: schwarzer
oder bunter Badeanzug? „Aber Helga, du wirst doch verbrannt“,
erinnerte Freundin Therese. „Ach, ich hatte es mir so schön
ausgemalt, wie ich im Badeanzug ins Meer gleite“, lachte Helga
schallend.
Mit großem Beifall bedankten sich die Besucher bei der begnadeten
Erzählerin. „Es ist schön, solche fröhlichen Wegbegleiter in
meinem Leben gehabt zu haben“, beendete sie den Nachmittag. Der
dürfte ganz nach Bestgens Geschmack gewesen sein: auf engstem Raum
Remmidemmi in der Bude.
- Sylvia Schmidt
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.