Café und Second-Hand-Laden für alle
"Grenzenlos" in Niederaußem

"Grenzenlos engagiert" im Café und Second-Hand-Laden in der ehmaligen Paulusschule in Niederaußem: Ehrenamtlerin Hannelore Lersch-Steier, Christa Mödder vom Erzbistum Köln und Quartiersmanagerin Sabine Niehus, Kreisstadt Bergheim | Foto: Andrea Floß
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  • "Grenzenlos engagiert" im Café und Second-Hand-Laden in der ehmaligen Paulusschule in Niederaußem: Ehrenamtlerin Hannelore Lersch-Steier, Christa Mödder vom Erzbistum Köln und Quartiersmanagerin Sabine Niehus, Kreisstadt Bergheim
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Mittwoch, 15 Uhr: Im Foyer der ehemaligen Paulusschule im Quartiersbüro Niederaußem herrscht reger Betrieb. Einmal in der Woche öffnet das Café Grenzenlos seine Türen. Bis 17:30 Uhr gibt es guten Schamong-Kaffee und selbstgebackenen Kuchen zu kleinen Preisen. An den liebevoll gedeckten Tischen sitzen neben einer Gruppe türkischer Senioren junge Mütter und ein paar ältere Damen. Kinder kommen aus der Schule und gönnen sich ein großes Stück Torte, die Kleinsten schlafen im Kinderwagen, die Größeren flitzen mit leuchtenden Augen zwischen Kuchentheke, Kicker und Regalen hin und her. Für sie ist das „Grenzenlos“ ein buntes Schlaraffenland, das neben leckeren Waffeln, Bastel- und Spielangeboten einen prall gefüllten Second-Hand-Laden mit Kindersachen und Spielzeug, Mode für Damen und Herren jeden Alters, Haushaltswaren und Büchern beherbergt.

„Was viele nicht wissen, ist, dass wir nicht nur für Bedürftige da sind, sondern ein lebendiger Treffpunkt für alle Menschen hier im Stadtteil“, sagt Christa Mödder, Engagementförderin im Katholischen Kirchengemeindeverband Bergheim-Ost. Eröffnet am 15. März 2017 im Zuge der Flüchtlingskrise, trifft die Ökumenische Initiative der „Neuen Nachbarn“ einen Nerv: Nachhaltigkeit ist Trend, Wiederverwenden statt Wegwerfen, bunte Vielfalt und Miteinander statt Einsamkeit und Ausgrenzung. Für Rentnerin Heidrun Khanu ist das „Grenzenlos“ das „Highlight der Woche“, sie ist Stammgast, seit eine Freundin sie mitnahm. „Ich finde hier leider auch immer etwas Schönes“, lacht die 77jährige und präsentiert stolz ihre neuen Sneaker und den modischen Glitzerpulli. Die Freundlichkeit der Ehrenamtler, die netten Gespräche und die tolle Unterstützung sind es, die sie an ihrem „zweiten Zuhause“ so schätzt. Eine echte Hilfe hat sie in Hannelore Lersch-Steier aus Glessen gefunden, die ihr und anderen als ehemalige Berufsbetreuerin ehrenamtlich mit Rat und Tat zur Seite steht.

Beratung und "Offene Herzen"

Ein stetig gewachsenes Team aus bis zu 60 Engagierten kümmert sich um die Gäste, organisiert Nachbarschaftsfeste und eine Fahrradwerkstatt, hilft beim Deutschlernen oder übernimmt Patenschaften für Geflüchtete. Spenden werden immer montags von 15 bis 16 Uhr angenommen, gesucht wird gerade gut erhaltene Winterkleidung, aber auch Geschirr, Töpfe und Pfannen. Die Einnahmen werden wieder für soziale Zwecke im Quartier eingesetzt, unter anderem für individuelle Hilfe für Menschen in Not.

Besonders freut Christa Mödder, dass auch Geflüchtete tatkräftig mithelfen. Wie Khouloud, die vor sieben Jahren im Zuge des Familiennachzugs zu ihrem im Hallerhof untergebrachten Ehemann nach Bergheim kam. Deutsch lernte die junge Syrerin unter anderem von Christa Mödders 89jährigen Schwiegermutter, die ihr vorlas. Zuerst räumte Khouloud nur die Tische ab, später sprang sie auch als Dolmetscherin und Begleiterin bei Arztbesuchen und Ämtern ein. Heute studiert die Mutter eines sechsjährigen Sohns im dritten Semester Physik. „Es wäre sicher leichter, wenn ich auf mein soziales Leben ganz verzichten und nur noch lernen würde“, räumt die 27jährige ein. Das aber ist undenkbar für die Neu-Bergheimerin. „Ohne das Grenzenlos und den Zusammenhalt hier hätte ich das alles nicht geschafft.“

Auch Olena Khudoshyna, 48, ist oft „Im Euel“ anzutreffen. Ihr Ukrainischer Abend mit jugendlichen Akteuren begeisterte das Publikum. „Offene Herzen“ war das Motto, das die engagierte Theaterleiterin aus Charkiw mit ihrer Improvisationsperformance vermitteln möchte, „grenzenloses Verständnis füreinander und Liebe.“ Die Liebe hat ein älterer Herr zwar nicht zwischen den Kleiderständern gefunden, dank der professionellen Beratung von Anita Dohmen, einer ehemaligen Bekleidungsfachfrau, aber eine komplett neue Garderobe. „Er hat vor Freude geweint.“

Neu ist Gärtnern für Kinder, ein Foodsharing Projekt besteht auch seit einiger Zeit. Jeden ersten Donnerstag im Monat findet um 9:30 Uhr ein Frauenfrühstück statt, ein gemischtes Angebot speziell für Seniorinnen und Senioren ist in Vorbereitung. Seit April leistet der Sozialarbeiter Herr Accus fachliche Unterstützung, immer mittwochs ab 16 Uhr berät er zu Themen wie Wohngeld, Grundsicherung und Bürgergeld. Durchgeführt hat er auch ein Beratungscafé für junge Männer. Gestartet als Pilotprojekt und drei Monate aus dem Budget der Stadt und dem Grenzenlos finanziert, trägt jetzt die Caritas Bergheim-Ost die Kosten.

Mit etwas gemischten Gefühlen sehen Christa Mödder und Quartiersmanagerin Sabine Niehus der anstehenden Sanierung der Paulusschule entgegen. „Wir müssen dann ausziehen, wohin wissen wir leider noch nicht.“ Dass es aber auch im künftigen „Haus der Vielfalt“ mit dem Grenzenlos „noch schöner und besser“ weiter gehen wird, sind sie sich sicher. Oder um es mit Olenas neuem deutschen Lieblingssatz zu sagen: „Es ist alles im grünen Bereich.“

Kontakt:

Christa Mödder Tel: 0175 – 2055664
Kath. Kirchengemeindeverband Bergheim-Ost
christa.moedder@erzbistum-koeln.de

Sabine Niehus, Kreisstadt Bergheim, Integration und Stadtteilarbeit
Tel: 02271 757200
sabine.niehus@bergheim.de

LeserReporter/in:

Andrea Floß aus Bergheim

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