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BENNEMANNs BLOG
Darf sie das? Ja, das darf ich!

Holla die Waldfee, sag ich da nur. Was sich da bei mir in den letzten Jahren stapelweise an SCHAUFENSTER-Ausschnitten angesammelt hat! Ich, die Spontan-Ausschneiderin, denke immer, den kann ich bestimmt mal für meinen Blog verwenden. Beispiel folgende Lettern:
Müllsünder müssen zahlen - 39 Mitarbeiter des Ordnungsamtes bitten zur Kasse. Mit einem neuen Konzept rückt der Ordnungsdienst der Stadt Bonn den gedankenlosen Zeitgenossen zu Leibe, die ihre Zigarettenkippen in der freien Natur entsorgen, die nicht wissen, dass ihre Pappbecher für den Coffee-to-go in den Mülleimer gehören, die ihren Privatmüll der Öffentlichkeit in schöner Regelmäßigkeit präsentieren, kurzum: Die nicht wissen, was sich gehört. Die Mitarbeiter werden ab Januar 2019 (auf dem Foto zu dem Artikel siehst du noch den alten OB Ashok Sridharan!) gelegentlich ihrer Streifengänge die Leute verwarnen, die etwa die Hundekothaufen ihrer vierbeinigen Lieblinge der Öffentlichkeit überlassen. Zunächst gilt ab Januar noch die sanftere Welle. Die Müllis bekommen die gelbe Karte gezeigt. Auf der steht, was sie zahlen müssen, wenn sie weiterhin den Müll auf die Straße kippen. Nach einer Übergangszeit von 4 bis 6 Wochen wird es dann ernst: Dann greift das Ordnungswidrigkeitenrecht. Die Ordnungshüter bitten gleich an Ort und Stelle kräftig zur Kasse: 25 Euro kostet die weggeworfene Zigarettenkippe, 35 Euro die Getränkedose, bei Kaugummi ist man mit 50 Euro dabei. Wer Sperrmüll auf die Straße oder ins Gebüsch kippt, zahlt 100 Euro. Ob sich das dann wirklich lohnt? Die speziell geschulten Ordnungskräfte versprechen derweil, höflich und ruhig mit den Betroffenen ( ich hätte jetzt so aus dem Bauch raus "mit den Betreffenden" geschrieben) umzugehen: "Wir arbeiten immer deeskalierend."

Als ich vor Jahren diesen Artikel las, dachte ich spontan, dass wir, also die Stadt Bonn, jetzt aber so was von schnell aus den roten Zahlen sein werden. Weil, an Menschen, die ihren Scheiß einfach unter sich fallen lassen, herrscht ja wirklich kein Mangel. Ich war schon dabei, die monatlichen Einnahmen zu überschlagen, abzüglich der Personalkosten für die neuen Mitarbeiter, als ich mich fragte, wann ich das letzte Mal einen Menschen gesehen hatte, der extra auf Publikum gewartet hat, um dann unter Beifall seinen Sperrmüll ins Feld zu kippen. Ich stellte fest, ich hatte noch nie einem Menschen dabei zugesehen. Vermutlich weil ich unaufmerksam bin, vielleicht aber auch, weil diese Menschen es eher bevorzugen, unbeobachtet zu sein.
Und so stelle ich mir vor, wie so eine Situation aussehen könnte: Mehrere männliche Jugendliche, mit oder ohne Gewaltpotential, mit und ohne Migrationshintergrund, lassen abwechselnd mal hier und mal da ihre Kippen fallen, wahlweise zusätzlich Kaugummi ausspuckend. Dies beobachten zwei Mitarbeiter des Ordnungsdienstes (2019 hieß es noch Mitarbeiter. Heute heißt es natürlich MitarbeiterInnen oder Mitarbeitende). Die beiden speziell geschulten Ordnungskräftigende sprechen freundlich besagte Mitmenschen an: "Dürfen wir Sie darauf aufmerksam machen, dass das Entsorgen von Zigarettenkippen und das Ausspucken von Kaugummi in der freien Natur eine Ordnungswidrigkeit ist?" Darauf tritt ein Jugendlicher, der sich spontan als Sprecher der Gruppe versteht, vor: "Darf ich mich vorstellen. Mein Name ist Justin Müller. Wo sie recht haben, haben Sie recht. Kürzlich erst habe ich einen Artikel im SCHAUFENSTER dazu gelesen. War es nicht so, dass eine Kippe 25 Euro und ein Kaugummi 50 Euro kostet?" Und sich an seine Kumpels hinter ihm wendend: "Jungs, denkt nach, wer hat was gemacht. Kevin, du hast keine Diskalkulie, rechne das mal eben für die Herren zusammen." Mustafa und Juri sind kurz ein wenig verstimmt, weil Justin nur Kevin angesprochen hat. Schließlich sind auch sie sehr wohl in der Lage zu rechnen. Hallo, wenn du deinem Kunden ein Päckchen für 100 Euro verkaufen willst, der aber nur 50 Euro bei sich hat, gibst du ihm doch nur die Hälfte, oder? Egal, sie kriegen sich schnell wieder ein, schließlich wollen sie ja die beiden Ordnungshüter nicht zu lange warten lassen. Nach geraumer Zeit steht die recht stattliche Summe von 410 Euro fest. Justin, unser Wortführer, schon ein wenig schwitzend, denn ihm ist diese Situation total unangenehm: "Wenn ich den Artikel im SCHAUFENSTER richtig in Erinnerung habe, bestehen Sie auf Barzahlung. Sie werden verstehen, dass wir so viel Bargeld nicht mit uns rumtragen. Ich müsste also kurz an einen Bankautomaten. Ich hätte da noch zwei Fragen: Sieht Ihr Kostenkatalog auch Mengenrabatte vor? Und, ist das Aufheben und fachgerechte Entsorgen der Kippen im Preis inkludiert?" So stelle ich mir die Dialoge vor.

Weil ich gerade so dermaßen gedankenlos das Wort Migrationshintergrund benutzt habe. In den Medien hieß es: Auch in Bonn kam es in der Silvesternacht zu schweren Krawallen. Nach Angaben der Polizei verabredeten sich Jugendliche und Heranwachsende zu Angriffen auf die Polizei. Die Gruppe im Alter zwischen 16 und 19 Jahren soll sich den Angaben der Bonner Polizei zufolge in einer WhatsApp-Gruppe zu Angriffen auf Polizei und Einsatzkräfte der Feuerwehr zum Jahreswechsel im Problem-Viertel Medinghoven verabredet haben. Die Gruppe von zirka 20 Personen hatte Müllcontainer angezündet. Anschließend hatten die Chaoten die Feuerwehr bei ihrem Einsatz mit Steinen und Böllern beworfen. Als die Polizei die Einsatzkräfte schützen wollte, ging ebenfalls ein Hagel aus Böllern und Steinen auf die Beamten nieder. Die Tatverdächtigen verfügen laut Polizei alle über einen Migrationshintergrund. Zur Chatgruppe zählen zwei Deutsch-Syrer, zwei Deutsch-Jordanier, ein Deutsch-Marokkaner, ein Iraker, ein Rumäne sowie ein junger Mann mit rumänisch-somalischen Wurzeln. Teilweise besitzen die Beschuldigten die doppelte Staatsbürgerschaft ...

Als ich diesen Artikel las, mein erster Gedanke (nicht etwa, wie schrecklich, die armen Einsatzkräfte), nein, mein erster Gedanke: Darf er das ( denkst du auch an den Comedian Chris Tall), der Schreiber? Darf er schreiben Deutsch-Syrer, Deutsch-Marokkaner? Mein zweiter, ja, er darf - allerdings.

LeserReporter/in:

Adelheid Bennemann aus Bonn

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