Brikettierung endet
120 Jahre ein Dauerbrenner
Brühl ist die Schlossstadt, Kerpen die Kolpingstadt, Bergheim die Kreisstadt und Frechen … was ist jetzt Frechen? 120 Jahre lang wurden in der Brikettfabrik Wachtberg Braunkohle-Presslinge zum Heizen, im Rheinland „Klütten“ genannt, gepresst. Frechen war die Klüttenstadt. Doch Ende des Jahres stellt RWE Power die Brikettierung, im Rahmen des gesetzlich geregelten Kohleausstiegs, ein. Damit endet die Herstellung eines der markantesten Produkte aus rheinischer Braunkohle.
Frechen. Die herkömmliche, allen bekannte „Klütte“ aus dem Baustoffhandel ist bereits Geschichte: Schon im Februar wurde in Frechen das letzte, eckige Sieben-Zoll-Brikett gepresst. Produziert werden nur noch die runden „Drei-Zöller“ für die Industrie.Damit ist im Dezember Schluss. Mit der Einstellung der Brikettierung gehen auch die 120 Megawattstunden Strom, die bei der Herstellung produziert wurden, verloren. Und das in Zeiten von explodierenden Strompreisen und befürchteten Blackouts? „Der Kohleausstieg ist Gesetz“, erklärt Guido Steffen, Pressesprecher der RWE Power AG.
Sein Unternehmen feierte am vergangenen Wochenende, mit rund 20.000 aktuellen und ehemaligen Mitarbeitern, an drei Standorten ein Sommerfest. Auf dem Wachtberg in Frechen vielleicht etwas weniger ausgelassen als an den Standorten Niederaußem und Tagebau Hambach.
Und das lag weniger daran, dass es zeitweilig in Strömen regnete, sondern an dem Umstand, dass eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte endet. „Zuletzt haben wir in 2021 rund 1 Millionen Tonnen Briketts für unsere Privat- und Industriekunden produziert“, bedankte sich Dr. Lars Kulik aus dem Vorstand der RWE Power AG bei den Anwesenden. Gemeinsam könne man diesen Tag „erhobenen Hauptes, mit gesundem Selbstbewusstsein und auch mit Stolz“ begehen.
Susanne Stupp, Bürgermeisterin der Stadt Frechen, sprach von einem „unwirklichen Tag“. Schon ihr Großvater habe auf dem Wachtberg gearbeitet. Nach dem Ende der Steinzeugröhrenproduktion würde mit der „Klüttte“ ein weiteres Markenprodukt aus Frechen eingestellt.
Die Bürgermeisterin beschränkte sich in ihrer Rede aber nicht nur auf Wehmut und Nostalgie, sondern sprach auch den Grund für den Kohleausstieg an. Susanne Stupp: „Wir alle – so ehrlich müssen wir heute auch sein – spüren den Klimawandel. Die Flut 2021 und die Dürre in diesem Sommer machen uns sehr deutlich, dass wir unseren Hunger nach Energie auf anderen Wegen stillen müssen.“
Die Zukunft des Standortes Wachtberg ist noch ungewiss. Die Produktion des Industriebrennstoffs Braunkohlenstaub wird weitergeführt. „Gerade die jetzige, hoch angespannte Lage auf dem Energiemarkt zeigt, wie wichtig eine verlässliche Energiebereitstellung ist, und hierzu zählt auch unser Braunkohlestaub für unsere Industriekunden“, so Dr. Kulik.
Die Entwicklung des „wertvollen Industriestandorts“ Wachtberg solle gemeinsam mit der Stadt Frechen umgesetzt werden. Man gehe von einer „zügigen und nachhaltigen Nachnutzung“ der freiwerdenden Betriebsbereiche aus. Mit der KVB sei man bereits im Austausch.
Einen Umstand den Professor Dr. Höser, Vorsitzender der Interessenvereinigung Frechener Unternehmen (IFU) kritisch sieht: „Frechen sollte sich fragen, welchen Vorteil es von einer Ansiedlung der KVB auf dem Gelände hat. Wir reden hier von neun Hektar wertvoller Gewerbefläche. Die KVB zahlt ihre Gewerbesteuer in Köln und schafft keine neuen Arbeitsplätze. Sie bringt ihre Arbeitskräfte ja von den anderen Standorten mit“, gibt er zu bedenken.
Stattdessen solle die Stadt erwägen, das Gelände zu kaufen. Anschließend stände einer maßvollen und effektiven Gewerbeansiedlung nichts mehr im Wege. Dr. Höser: „Diese würde bereits in Frechen ansässigen Unternehmen die Möglichkeit zur Expansion bieten. Unternehmen die ansonsten eventuell in benachbarte Kommunen umziehen.“
Die Fabrik Wachtberg I nahm 1902 ihren Betrieb auf: mit angeschlossener Kettenbahn zum Tagebau, zehn Flammrohrkesseln und Einstrang-Dampfpressen. „Union“-Briketts werden seit 1905 gepresst. Der Arbeitstag eines Fabrikarbeiters war zu dieser Zeit zwölf Stunden lang, die reine Arbeitszeit betrug zehn Stunden. 1937 speiste Wachtberg den ersten Strom ins öffentliche Netz. Bis 1953 wurde der Bahnbetrieb elektrifiziert. Ab 1967 lieferte Wachtberg Fernwärme zum einen an die Hauptwerkstatt Grefrath, zum anderen an öffentliche Einrichtungen in Grefrath und Habbelrath (Hallenbad, Schule, Feuerwehr). 2003 beginnt die Fabrik Frechen damit, kommunalen Klärschlamm in ihren Kraftwerksanlagen mitzuverbrennen. Braunkohle bleibt der Hauptbrennstoff.
Die Fabrik Frechen hat seit ihrem Bestehen in 120 Jahren eine Gesamtproduktion von 117,78 Millionen Tonnen Briketts erreicht.
Redakteur/in:Lars Kindermann aus Rhein-Erft |
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