Käthe - überall ist Fremde
Beeindruckende Lesung von Katharina Prünte in Mines Spatzentreff
Wesseling. Die Bad Godesberger Familien- und Psychotherapeutin Katharina Prünte begann ihre Lesungstour mit ihrem Romandebüt "Käthe - überall ist Fremde" über das Leben ihrer Großmutter in Mines Spatzentreff. In einem großen Kreis saßen die 14 Zuhörerinnen und Zuhörer. Zwar hatte ihr Mann Lothar eine Verstärkung für ihre Lesung und auch ihre Lieder eingerichtet. Aber alle gemeinsam entschieden, dass sie auch direkt gut zu verstehen war, obwohl die Oberlichter des Cafés/Bistros geöffnet waren und immer mal wieder Geräusche von der Kölner Straße hereinkamen - es war eine schwüle Luft an diesem Abend.
Zweimal 45 Minuten Lesung mit Zeitsprüngen und Erläuterungen der Geschichte hatte die Autorin vorbereitet. In der Pause konnte die Gäste etwas bestellen und draußen frische Luft schnappen. Während der Lesung war es mucksmäuschenstill - alle 28 Augen und Ohren waren auf Katharina Prünte und ihren lebendigen Vortrag gerichtet. Und für diese war das eine sehr emotionale Sache - das merkte man besonders an den letzten Zeilen des Buches, mit dem sie ihre Lesung beendete. Die zu diesem Zeitpunkt 50-jährige Protagonistin fühlte sich nicht schlecht - sie konnte selbst entscheiden, was sie fühlte und dachte: "Da stand er in der Küchentür, mein stattlicher Kaufmann aus der Mark Brandenburg. Und ich freute mich von ganzem Herzen auf unseren Spaziergang." Sie hatte den Roman in Ich-Form geschrieben und auch immer versucht, die etwas blumige Sprache mit Worten der damaligen Zeit zu verwenden, so wie sie ihre Großmutter selbst erlebt hatte.
Geboren in eine arme Bauernfamilie erlebte Käthe eine entbehrungsreiche Kindheit, die hässlichen Seiten der Nazi-Diktatur, des 2. Weltkriegs und auch der DDR. Sie wurde 1908 als neuntes Kind einer Bauernfamilie in der Eifel geboren und musste nach dem frühen Tod der Mutter ihre Familie und den Hof versorgen. Schon in dieser Zeit entwickelte sie ihre Leidenschaft fürs Lesen. 1930 lernte sie in Görlitz ihre große Liebe Peter, einen jüdischen Fabrikantensohn, kennen. Im NS-Reich hatte diese Liebe aber keine Chance, Peter musste emigrieren. Sie ging dann 1938 eine Vernunftehe mit Paul in Neuzelle ein. Dort kümmerte sie sich um Haus und Geschäft der Familie, fühlte sich aber nicht willkommen. Als sie 1945 mit ihren drei kleinen Kindern floh, wurde sie Opfer einer Massenvergewaltigung durch russische Soldaten. Sie erlebte dann die Enteignung der Familie in der DDR und musste ihren ältesten Sohn gehen lassen, der in den Westen nach Oberwinter floh.
Katharina Prünte hatte ihre Großmutter schon immer bewundert, für das Buch recherchierte sie in diversen Archiven, Bibliotheken und Portalen, sprach mit Zeitzeugen, ging auf Reisen zu den Schauplätzen ihres Romans. Alle Charaktere sind authentisch, was sie nicht recherchieren konnte, hat sie romanhaft ergänzt. Dabei spürte sie immer mehr, was sie mit ihrer Großmutter verbindet, wie deren Traumata sich auf die Enkelgeneration auswirken - Stichwort: transgenerative Traumaübertragung. Und sie durchlebte beim Schreiben selbst einen heilsamen Prozess, denn auch sie verspürte wie ihre Großmutter, dass überall Fremde ist.
Die beeindruckende Lesung führte am Ende des bewegenden Abends zu einem fruchtbaren Austausch - etliche Gäste berichteten auch von ihren "Macken" und deren "Geschichte".
Der nächste Lesungstermin ist am 19. September 2024 um 19 Uhr im Trinkpavillion Bad Godesberg, eine Veranstaltung der Bürger.Bad.Godesberg e.V.
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