Klimaforscher Karl Schneider sagt
„Nachhaltigkeit ist nicht mit Verlust verbunden"

Prof. Dr. Karl Schneider ist Inhaber des Lehrstuhls für Hydrogeographie und Klimatologie am Geographischen Institut der Universität zu Köln. | Foto: Robels
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Köln - (sr) Professor Dr. Karl Schneider ist als Hydrogeograph und
Klimaforscher ein Experte für viele Fragen, die uns gerade jetzt sehr
beschäftigen. Für ihn sind sie schon sehr lange Thema. Und es liegt
ihm fern, mit dem Finger auf die Menschen zu zeigen oder mit
Katastrophen zu drohen. „Wir sitzen alle in einem Boot“, sagt er
und ist davon überzeugt, dass die Ressourcen auf der Erde für alle
reichen, vorausgesetzt, wir denken um und nutzen unsere Ressourcen
anders.

„Was wir brauchen, ist ein grundsätzlicher
Wertewandel.“

Gewohnheiten überdenken, auf das konzentrieren, was wir wirklich
brauchen, neue Trends setzen, dann wird die notwendige Anpassung an
den Klimawandel zur Chance, ist er überzeugt. Ihm habe die Pandemie
gezeigt, was weniger wichtig ist als gedacht. „Ausgerechnet ich als
Klimaforscher bin für meine Studien viel um die Welt gejettet. Corona
hat mir gezeigt, dass ich auch ganz ohne zu verreisen rund 80 Prozent
meiner Arbeit im Bereich der internationalen Kooperation geschafft
habe. Statt im Flugzeug zu sitzen, habe ich viel Zeit für anderes
übrig gehabt“, so wird er selbst künftig deutlich weniger reisen.
Das Leben entschleunigen bedeutet für ihn, die Lebensqualität
erhöhen. Und das bedeutet auch einen Wertewandel, weg von höher,
größer, schneller, mehr und hin zu langsam, entspannt, genug und
gründlich.

„Es muss keine Verteilungskriege geben.“

„Handel ist gut“, sagt er, besonders weltweiter Handel. Allerdings
fordert er diesen auf Augenhöhe. „Wenn wir auf Augenhöhe
miteinander kooperieren, ist alles möglich. Leider ist, besonders
für die armen Länder, nicht alles fair.“ Und da spielen unsere
Werte wieder eine entscheidende Rolle. Teilen und geben statt Gewinne
zu maximieren. Verhandeln und Miteinander reden statt ausbeuten.
„Wer seine Zäune hochzieht und das Beste für sich will, wird am
Ende verlieren. Ich glaube, das ist eine Lektion, die wir aus den
beiden Weltkriegen gelernt haben.“

„Bildung und Bürgerteilhabe sind der Schlüssel.“

Damit eine Gesellschaft sich darauf einigt, nachhaltig leben zu
wollen, müsse alle mit einbezogen werden. „So kann ich Bürgern
Wissen vermitteln. Zum Beispiel darüber, warum ein Vorgarten aus
Schotter oder Pflastersteinen mein Haus im Sommer deutlich mehr
aufheizt als ein bepflanzter. Pflanzen zur Kühlung zu nutzen ist
nicht nur gut für das Weltklima, sondern ganz greifbar auch für mein
persönliches Wohlbefinden.“

Außerdem sollten wir dringend an unserem Bildungssystem arbeiten.
Hier werden Werte und Maßstäbe gesetzt. „Wir müssen schließlich
auch Traditionen und Kulturen überdenken“, sagt Schneider.
Tradition und Kultur sind für ihn wichtig, „es sind unsere
Wurzeln“. Doch auch Wandel sei wichtig, „alles ist immer in
Bewegung, selbst Bäume, wenn man sich zum Beispiel deren
Verbreitungsgebiete anschaut“.

„Der Klimawandel wird sehr teuer.“

Schneider fordert die Politik dazu auf, Nachhaltigkeitskosten zu
berechnen. Das sei nicht einfach, aber machbar. Preisgestaltung müsse
den ökonomischen Nutzen und Schaden auch langfristig widerspiegeln.
Die Anpassung an den Klimawandel wird teuer, ein „weiter so“ wird
teurer - und ist verantwortungslos. So hält er es auch für
unvermeidlich, in Europa einen Krisentopf einzurichten, um solidarisch
die Schäden durch Flut und Feuer zu lindern. „Der Klimawandel wird
immer wieder und zunehmend Schaden anrichten. Mit einem europäischen
Krisentopf können wir europäische Solidarität und den Vorteil
gemeinsamen Handelns unmittelbar sichtbar machen.“

„Wir können viel von anderen lernen.“

Die Flutkatastrophe im Juli hat einen Vorgeschmack darauf gegeben, was
Professor Schneider meint. Der Wiederaufbau wird immens teuer. Sollten
die Häuser da überhaupt wieder aufgebaut werden? „Ja, aber
anders“, sagt Schneider. Ein Blick nach Indien könne helfen. Dort
leben die Menschen schon immer mit Wetterextremen. Monsun und Dürre
gehören zum Jahreswechsel. So ist es in mehrstöckigen Gebäuden
üblich, nicht in der Parterre zu wohnen. Oder für die Trockenzeit
Wasser zu speichern. „Die Zukunft wird eine Herausforderung, die wir
meistern können, wenn wir jetzt entsprechend handeln.“

Redakteur/in:

Sabine Robels aus Köln

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