Kein Strom, kein Wasser, kaum Lebensmittel
Letzte Tour vor dem Winter
Während sich im Bundestag medienwirksam darüber gestritten wird, ob Deutschland der Ukraine Panzer liefern soll oder nicht, macht sich Harald Fischer aus Frechen-Habbelrath um die Menschen in den zerstörten Ortschaften im Kriegsgebiet Gedanken. Denen fehlt es an Lebensmitteln und Medikamenten. Er organisiert einen letzten Hilfskonvoi vor dem Winter und bittet die spendenmüde gewordenen Bürger und Unternehmen der Region noch einmal um Unterstützung.
Rhein-Erft-Kreis. Harald Fischer und sein Menschenhilfsprojekt „Sophie“ sind ein bisschen wie die ‚Rolling Stones‘. Ähnlich wie die britische Rockformation hat auch der Habbelrather mehrfach seinen endgültigen Abschied aus dem aktiven Dienst angekündigt und dann doch weiter gemacht.
Im Gegensatz zu den Altrockern stellt sich Fischer aber nicht auf die Bühne, sondern er klemmt sich hinters Telefon, sammelt Spenden, setzt sich in den Transporter und fährt an die ukrainische Grenze.
Seit Beginn des Krieges in der Ukraine unterstützen er und seine Helfer die Menschen, die vor den Grauen des Krieges geflohen sind und die, die im Kriegsgebiet ausharren, mit Lebensmitteln, Medikamenten, OP-Material und vielem mehr.
„Immer wieder erhalte ich Listen mit dringend benötigten Artikeln. Ganz oben drauf stehen intensivmedizinisches Material, Konservendosen und die „Pille danach‘“ sagt er. Politik und mediale Berichterstattung würden sich größtenteils nur noch mit dem Thema „Lieferung schwerer Waffen“ beschäftigen, dabei würde es in der Ukraine an weit mehr mangeln als an Schützen- und Kampfpanzern. Fischer: „Die Nöte der Bevölkerung finden weniger Beachtung. Lebensmittel sind mancherorts knapp und die Krankenhäuser haben kein medizinisches Equipment mehr, um die Menschen vor Ort angemessen zu behandeln.“
Bereits sieben Mal hat er Hilfskonvois organisiert. Bei den ersten Touren wurden auf dem Rückweg ukrainische Frauen und Kinder zu Freunden und Verwandten in Polen und Deutschland gebracht.
Doch das Aufnahmelager für Kriegsflüchtlinge wurde geschlossen. Jetzt werden die Hilfsgüter an der Grenze in Kleintransporter und Autos verladen, mit denen mutige, junge Menschen aus ganz Europa in abgelegene und schlecht versorgte Dörfer und zu den Krankenhäusern nahe der Front fahren. „Eine gefährliche Sache“, weiß Fischer, dessen Netzwerk aus Spendern und Helfern vor Ort mit jeder Tour gewachsen ist.
Schon zweimal wurde ihm später mitgeteilt, dass Helfer bei ihren Touren umkamen. „Ein Fahrer wurde erschossen und ein weiterer ist in einem Waldstück auf eine Mine gefahren. Er war erst 27 Jahre alt“, erzählt der Habbelrather.
Auch wenn er selber nur bis zur Grenze fährt, haben die Eindrücke vor Ort, die Geschichten der ukrainischen Flüchtlinge sowie die Schilderungen der engagierten Helfer, Spuren bei ihm hinterlassen. Fischer: „Nach jeder Tour brauche ich erstmal ein paar Tage, um diese Eindrücke einzuordnen und damit klarzukommen.“ Jedes Mal sage er sich anschließend: „Das war’s für Dich. Du hast genug getan!“
Dann kommt eine Anfrage wie: „Wir haben hier ausrangiertes OP-Material. Fährst Du nochmal?“ Und schon beginnt die Planung einer weiteren Fahrt, das Klinken putzen und Betteln bei Firmen und Händlern.
Doch die Spendenbereitschaft hat nachgelassen. Fischer: „Was wir hier am Anfang rangeschafft haben, das war der Wahnsinn. Die ersten zwei Touren haben komplett die Habbelrather Bürger zusammengestellt. Da haben sich so viele Menschen aus dem Ort beteiligt, das hat uns extrem beeindruckt.“ Zwischenzeitlich hätten dann namhafte Unternehmen sein Projekt mit Materialspenden unterstützt. Mittlerweile bekommt er nur noch Absagen.
„Dass die private Spendenbereitschaft nachgelassen hat, kann ich absolut verstehen. Alles wird teurer, die Menschen machen sich Sorgen vor einem kalten Winter und explodierenden Energiepreisen. Dabei fallen wir hier in Deutschland extrem weich“, gibt er zu bedenken.
Er macht sich Sorgen um den Winter in der Ukraine: „Kein Strom, kaum Lebensmittel und kein Dach überm Kopf. Den Menschen in den zerbombten Städten und Dörfern steht ein harter Winter bevor.“
Jetzt hat sich das Lübecker Unternehmen Erasco bei ihm gemeldet: Es möchte nochmal 1,5 Tonnen Konserven spenden. Also wird wieder nichts aus dem Ruhestand. Die Paletten mit den Eintopf-Dosen werden vom Lübecker Speditionsunternehmen Paul Weidlich kostenlos nach Frechen gebracht.
Vor der letzten großen Tour an die Grenze, die am Samstag, 1. Oktober, von Habbelrath aus startet, werden wieder Sach- und Geldspenden gesammelt. Fischer: „Die Fahrt muss sich ja lohnen! Wir versuchen alles zu bewegen, um an Sachspenden und Spendengelder zu kommen, damit dieser wichtige Hilfstransport vor den Winter in die Krisenregionen kommt. Sollte es immer noch Menschen geben, die die Ukraine gerade im Hinblick auf den nahenden Winter unterstützen wollen: Sie sind bei uns immer willkommen.“
Dringend benötigt werden Artikel wie: Intensivmedizinisches Material, Notstromaggregate, Kochsalzlösung, Schmerzmittel, haltbare Lebensmittel, Babynahrung, Windeln, Erste-Hilfe Sets, Desinfektionsmittel, Hygieneartikel, Schlafsäcke, Isomatten, Solarlampen, Wasserreinigungstabletten aber auch Geldspenden zum Kauf von Medikamenten und zur Deckung der Spritkosten.
Privatpersonen, Unternehmen, Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen, die die Menschen in der Ukraine vor dem Winter unterstützen wollen, können sich mit Harald Fischer, Telefon: 01 71 - 3 64 91 58, E-Mail: h-fischer@t-online.de in Verbindung setzen.
Redakteur/in:Lars Kindermann aus Rhein-Erft |
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