Schnelle Hilfe "von drüben"
Der Rhein stellte kein Hindernis dar
Im Angesicht einer Notsituation fragen Menschen nicht lange, ob und wie sie helfen können, sondern packen direkt an, damit Unterstützung schnell und unkompliziert wirkt. Die Flutnacht vom 14. Juli 2021 zerstörte neben Gebäuden und der Infrastruktur auch so manchen Lebenstraum. Dieses Leid und der Anblick von verwüsteten Ortschaften sorgten für eine unglaubliche Selbstlosigkeit. Viele Bedienstete der rechtsrheinischen Kommunen boten ihre Arbeitskraft nicht nur in den betroffenen linksrheinischen Gemeinden an, sondern genauso im Ahrtal.
Hier war mit Thorsten Haase, Daniel Jung und Patrick Marks ein Team vom städtischen Bauhof Niederkassel im Einsatz, das für diese Aufgabe umgehend von der Stadt eine Freistellung bekam. „Eigentlich sollten es nur drei Tage werden, aber die Situation dort war katastrophal“, erinnert sich Vorarbeiter Thorsten Haase. „Da sagte unser Bürgermeister: nimm was Du brauchst und fahr wieder hin. Daraus wurden erstmal vier Wochen“. Anfänglich gelangte man nur in Begleitung der Feuerwehr Troisdorf überhaupt ins Krisengebiet. „Wir begannen die Straßen mit der Bürste zu säubern. Die Polizei setzte hier zusätzlich Wasserwerfer ein, damit wir den Schlamm entfernen konnten“. Darüber hinaus reinigte die Mannschaft die Flussränder, fuhr den Müll mit ab und räumte eine Tiefgarage mit einem kleinen Bagger leer. „Egal, wo man uns brauchte, wir standen sofort parat. Das galt auch für Bewohner, die Schlamm im Garten hatten, da durch Öl und Diesel ja alles kontaminiert war“. Relevante Probleme traten selten auf. Hin und wieder fuhr man einen Reifen platt, aber sonst gab es keine immensen maschinellen Verluste. „Wenn wir nicht weiterkamen, haben wir uns selbst Hilfe geholt. So arbeiteten die Leute Hand in Hand. Es war großartig“. Das Team vom Bauhof ist außerdem unheimlich dankbar dafür, dass die Landwirte aus Niederkassel sie kostenlos mit Gerätschaften unterstützten. „Da ist schon viel Vertrauen nötig“. Tägliche durchschnittliche Arbeitszeit kannte hier keiner. „Der Tag endete nie unter 14 Stunden. Nach den vier Wochen legte ich alleine noch fünf Wochen obendrauf. Wir haben gemeinsam unheimlich viel ehrenamtliches Engagement aufgewendet. Und am Schluss war es schwierig, damit aufzuhören und in den gewohnten Alltagstrott zurückzukehren. Einfach so abschalten funktionierte nicht“. Auch nach neun Wochen war längst nicht alles geschafft, aber das Gröbste konnte erledigt werden.
Eingepackt und schockgefroren
Swisttal und Rheinbach gehörten zu den linksrheinischen Kommunen des Kreises, in denen die Natur unerbittlich zuschlug und starke Schäden zu verzeichnen waren. In Rheinbach wurde das städtische Archiv unter dem Rathaus in Mitleidenschaft gezogen. Das Wasser vernichtete zahlreiche Aufzeichnungen. „Ungefähr ein Drittel musste weggeworfen werden“, erläuterte Jenny Ley vom Stadtarchiv Siegburg, die gemeinsam mit ihrem Kollegen Marco Devigili zwei Tage vor Ort aushalf. „Es gibt in Kooperation mit dem Kreis und dem Landesverband Rheinland einen Archiv-Notfallverbund. Rheinbach gehört nicht dazu, doch wir sind alle gut vernetzt, sodass die Telefonkette uns dennoch schnell erreichte“. Etliche Maßnahmen befanden sich bereits in vollem Gange, als das Duo aus Siegburg eintraf. „Es gab keinen Strom und kein fließendes Wasser. Die Menschen standen auf dem Platz vor dem Rathaus Schlange, um an Trinkwasser zu kommen. Feuerwehr und THW sorgten für einen reibungslosen Ablauf. Das war schon sehr bedrückend“. Selbstverständlich rückte man zur Rettungsaktion mit den nötigen Materialien, von Gummihandschuhen bis zu Markern, in Rheinbach an und arbeitete guten Mutes vereint mit den anderen Helfern. Das Flutwasser hatte die ersten drei unteren Regalreihen beschädigt. Das Fachpersonal brachte sich in Windeseile unkompliziert ein, unterstützte beim Sichten und Ordnen nach Prioritäten. Die Registraturakten mit leichten Schäden, die quasi nur „nebelfeucht“ waren, konnten im Sonnenschein einzeln zum Trocknen ausgelegt werden. Doch viele der gesichteten Dokumente hatte es schlimm erwischt. Aber auch dafür existierte eine Lösung. „Die Akten werden in Stretchfolie eingewickelt, in Säcken verpackt und ordentlich beschriftet“, so Jenny Ley, „danach schockgefroren und im Anschluss im Vakuum getrocknet. Das zieht dann das Wasser heraus“, ergänzt Marco Devigili. Ohnehin steht oft die Frage im Raum, warum Archive in den Keller wandern. „Sicherlich benötigt Papier Platz. Ferner spielen Statik und Gewicht eine große Rolle, aber vielen ist die Bedeutung eines Archivs nicht bewusst oder bekannt“. Solche Katastrophen zeigen, wie schnell Zeitgeschichte und Erinnerungen unwiederbringlich zerstört werden und verloren gehen können.
Angepackt, wie gelernt
Die Freiwillige Feuerwehr Sankt Augustin war ebenfalls seit der Flutnacht im Einsatz. Die starke Truppe konnte mit genügend Personal und mehreren Löschfahrzeugen auf der anderen Rheinseite aktiv werden, ohne den Bedarf im Heimatort zu vernachlässigen. Eine Woche lang konzentrierte sich die Arbeit vor allem auf Rheinbach und Swisttal. „Wir brachten teilweise Material nach Sinzig, doch unser Fokus lag auf dem Rhein-Sieg-Kreis“, fasst es Feuerwehrleiter Herbert Maur zusammen. Über eine Woche verteilt griffen rund 140 Sankt Augustiner mit sechs Großfahrzeugen und einem Einsatzleitwagen beherzt zu, wo Hilfe gebraucht wurde. „Wir haben angepackt, wie wir es gelernt haben. Die Feuerwehr weiß, was sie zu tun hat. Man pumpte Keller aus, zog Autos aus dem Wasser und half den Leuten aus ihren Häusern“. Die größten Probleme verursachten die fehlende Stromversorgung und der Ausfall an Funk und Kommunikationswegen. „Die Dunkelheit und die Wassermenge bildete eine enorme Herausforderung. Aber auch Falschmeldungen über soziale Medien machten die Sache nicht einfacher“. Das zeigte sich insbesondere an der Steinbachtalsperre, wo eine Drohneneinheit aus Hangelar die Situation im Auge behielt. Ergänzend wurde die Kommunikation teilweise über Hubschrauberflüge aufrechterhalten. „Vier Personen waren obendrein für die Einsatzleitung im Kreishaus abgestellt“. Beeindruckt zeigte sich Herbert Maur von der gewaltigen Hilfsbereitschaft der Menschen untereinander. „Das galt zudem für die Kräfte der Feuerwehr. Wir wurden überall mit Getränken und Verpflegung unterstützt“. Ein Jahr nach der Flut sieht der Leiter der Feuerwehr, der auch Fachdienstleiter für Feuer- und Bevölkerungsschutz ist, die Konsequenzen aus der Katastrophe allerdings sehr positiv. „Die Frage ist, was nehmen wir aus den Ereignissen mit? Die Notwendigkeit neuer Gerätschaften wurde erkannt, mobile Hochwasserschutzsysteme und Sirenen angeschafft und für Starkregen- und Hochwasserkarten gesorgt. Ferner arbeitet man an einem gesonderten Funknetz, das die Kommunikation sicherstellt, auch wenn mehrere Tage der Strom ausfällt“. Mit dem Projekt Kat-Leuchttürme möchten die Verantwortlichen zukünftig in Sankt Augustin eine Anlaufstelle für Bürger im Notfall etablieren. „Das werden im Endeffekt die Feuerwehrhäuser sein. Hier gewährleisten mobile Stromversorgungserzeuger, dass die Menschen ihre Handys aufladen können oder eine Mutter warme Babymilch erhält“. Abgerundet wird dies von der neuen Stelle eines Einsatzvorplaners, der von Unwettern über Bränden bis zu Pandemien grundlegende Aktionspläne entwickelt, sowie Weiterbildungen mit anderen Einrichtungen in der Kommune. Hier greift die Zusammenarbeit von Feuerwehr und Verwaltung im Krisenfall eng ineinander. „Wie man sieht, ist das Thema nach wie vor stark präsent“, schließt Herbert Maur sein Fazit.
Freie/r Redaktionsmitarbeiter/in:Dirk Woiciech aus Siegburg |
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