Faszinierend: Bunte Kerken
Fünf Kirchen laden zum Schauen und Staunen ein

Anna-Selbdritt-Darstellung in der Bunten Kerke Liederhausen. Eine in katholischen Kreisen bekannte Darstellung von Anna, der Mutter Marias, der Gottesmutter Maria mit dem Kind Jesu. | Foto: Franke
  • Anna-Selbdritt-Darstellung in der Bunten Kerke Liederhausen. Eine in katholischen Kreisen bekannte Darstellung von Anna, der Mutter Marias, der Gottesmutter Maria mit dem Kind Jesu.
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Oberberg - (cf/un) Im Oberbergischen Kreis gibt es fünf Kirchen, die die
Bezeichnung „Bunte Kirche“ oder wie viele Oberberger sagen„Bonte
Kerke“ tragen. Sie sind zu finden in Marienheide-Müllenbach,
Gummersbach-Lieberhausen, Nümbrecht-Marienberghausen,
Wiehl-Marienhagen und Bergneustadt-Wiedenest.

Die Lieberhäuser Kirche wurde im 11. Jahrhundert errichtet und ist
damit die älteste der fünf „Bunten Kirchen“ im Oberbergischen
Kreis. Allen ist gemeinsam, dass sie in großen Wandmalereien
biblische Geschichte darstellen.

Über 500 Jahre Glaubensverständnis kann aus ihnen gelesen werden,
vor und nach der Reformation. Die Bilder haben außer dem religiösen
auch einen Bezug zur politischen Geschichte des bergischen Landes und
den vier Geschlechtern, die für die Geschicke des Landes
verantwortlich zeichneten: die Herren von Berg, von Sayn, von der Mark
und von Schwarzenberg.

Die Gemälde wurden zum Teil im Laufe der Jahrhunderte übertüncht
und wieder freigelegt.

Wiedenest

Bei den Ausmalungen in der Kirche stehen der Passionszyklus und der
Heilig-Kreuz-Zyklus in enger Beziehung und weisen auf die Besonderheit
der Kirche hin, die Aufbewahrungsort der Kreuzreliquie war. Etwas
Besonderes ist ein Bilderstrang zur Kreuzlegende aus der Legenda aurea
von einem Dominikanermönch aus dem 13. Jahrhundert. Die Legenda aurea
war der Bestseller des Mittelalters. Der Bilderzyklus füllt eine
ganze Wand neben dem Altarraum. Die Legende beginnt bei Adam und endet
mit dem Einzug des Heraklius in Jerusalem mit dem Kreuz Christi. Es
gibt diese bildliche Darstellung nur zweimal in Deutschland.

Neben der Kirche gibt es eine Quelle, die als Heilquelle angesehen
wird. Der Legende nach wurde eine ungarische Prinzessin, nachdem sie
von dem Quellwasser getrunken hatte, von ihrer Kinderlosigkeit
geheilt.

Marienhagen

Die Kirche liegt in einem der besterhaltenen Kirchdörfer im
Oberbergischen und stammt aus der Zeit um 1300. Die Wandmalereien sind
nur noch in Fragmenten erhalten. Dargestellt ist die Krönung Mariens.
Musizierende Engel sind als himmlische Lobpreiser zu sehen. Apostel
werden miteinander gestikulierend dargestellt. Trotz des
fragmentarischen Zustands sieht man den hohen künstlerischen Wert der
Gemälde.

Marienberghausen

Die romanische Kirche steht mitten im Dorf und ist von einer Reihe
Fachwerkhäuser eingefasst. Sie weist Bauteile aus drei verschiedenen
Epochen auf. Den Chor schmücken Wandmalereien, die in der Zeit von
1480 bis 1500 angebracht wurden. Spätestens 1665 sind sie wohl mit
dem Bau des Langhauses unter einer Kalkschicht verschwunden. 1911
wurden sie freigelegt.

Im Chor und in der Vierung sind Themen des Jüngsten Gerichts zu sehen
und in den Querhäusern Heilige. Das Jüngste Gericht wird von allen
Bunten Kirchen in Marienberghausen besonders anschaulich, detailreich
und drastisch erzählt.

Im Gewölbe sind Engel, Symbole der Evangelisten, aber auch ein
Jäger, der ein Eichhörnchen erschießt, und ein Schwein mit einem
Dudelsack dargestellt.

Lieberhausen

Die Kirche ist umgeben von Fachwerkhäusern aus dem 18. und 19.
Jahrhundert. Der Kirchbau aus Bruchstein stammt aus der Zeit um 1200.
Im 15. Jahrhundert wurde die Ausmalung der Kirche begonnen. Nach der
Reformation hat man die katholische Ausmalung bestehen lassen und zum
Teil mit Bibeltexten im reformatorischen Sinne erläutert. Besonders
fällt dies auf bei der Darstellung der 10 Gebote im Altarraum, wo das
Bild von Moses besonders klein geraten ist, um die Heiligenfigur aus
katholischer Zeit darunter bestehen zu lassen.

Das Bild der Seelenwaage wurde durch einen Bibelspruch auf der
gegenüberliegenden Seite reformatorisch erläutert.

Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die Wandmalereien übertüncht, weil
die Lieberhäuser die Redensart „So bunt as de Libberhüser Kerke“
leid waren. 1912 wurde Anton Bardenhewer mit der Freilegung der
Fresken betraut und hat dies zum Teil sehr frei nach eigenem
Gutdünken gemacht. Die Ausmalungen in der Lieberhäuser Kirche sind
sehr umfangreich und schildern sowohl Szenen aus dem Alten als aus dem
Neuen Testament.

Die obigen Ausführungen stasmmen auszugsweise aus dem Buch
„Weltgericht und Seelenwaage“ der Kunsthistorikerin Dr. Verena
Kessel (ISBN 978-3-89198-117-7). Ausführlich beschreibt sie darin die
Wandmalereien und die Geschichte der Kirchen und Kirchdörfer.

Müllenbach

Eher bescheiden erhebt sich der massige Turm, der lediglich durch
Maueranker gegliedert ist, der evangelischen Pfarrkirche in
Müllenbach. Dabei beherbergt der Turm den wertvollsten Besitz der
Gemeinde, die vier noch vollständig im Original erhaltenen Glocken.
Die älteste Glocke, wegen ihrer besonderen Form auch
„Zuckerhutglocke“ genannt, ist nachweislich um 1050 gegossen
worden und gehört damit zu den drei ältesten noch benutzten
Schwingglocken im rheinischen Einzugsbereich.

Die bunte Kerke ist in ihrer Bauart eine Wehrkirche, entstanden in
mehreren Bauabschnitten, in der Menschen in Not Zuflucht fanden. In
der dreischiffigen romanischen Pfeilerbasilika aus geschlämmtem
Bruchsteinmauerwerk, deren Grundriss die Form eines Kreuzes zeigt,
sind besonders die alten Wandmalereien sowie der aus dem 12.
Jahrhundert stammende Taufstein beachtenswert. Im Ostchor um die Orgel
herum sieht man die zwölf Apostel und an der Ostwand des Südchors
die Darstellung des Heiligen Franziskus von Assisi, der im hohen Alter
die Wundmale Christi empfängt. Der achteckige Taufstein ist aus
Drachenfels-Trachyt gefertigt, den man einst in mühseliger
Transportarbeit aus dem Siebengebirge herankarrte.

Alle „Bunten Kerken“ können in der Regel täglich von 9 bis 18
Uhr besichtigt werden.

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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