Korruptionsskandal in Frechen
Beschuldigter will Vorgesetzte anzeigen

Das Rathaus in Frechen kommt nicht zur Ruhe. Jetzt erhebt ein, wegen Korruption vor Gericht stehender, ehemaliger Mitarbeiter der Stadtverwaltung Vorwürfe gegen seine Vorgesetzten und droht damit, Strafanzeige gegen sie zu stellen.  | Foto: Archiv/Lars Kindermann
  • Das Rathaus in Frechen kommt nicht zur Ruhe. Jetzt erhebt ein, wegen Korruption vor Gericht stehender, ehemaliger Mitarbeiter der Stadtverwaltung Vorwürfe gegen seine Vorgesetzten und droht damit, Strafanzeige gegen sie zu stellen.
  • Foto: Archiv/Lars Kindermann

In E-Mails, die an die Frechener Ratsfraktionen weitergeleitetet wurden, erhebt ein ehemaliger Mitarbeiter der Stadt Frechen, der zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden ist, schwere Vorwürfe gegen zwei seiner Vorgesetzten.

Frechen. Das Rathaus in Frechen kommt nicht zur Ruhe: Die Ermittlungen und Verhandlungen zur Korruptionsaffäre im Zuge der Flüchtlingsunterbringung, in die erwiesenermaßen mindestens drei Mitarbeiter der Stadt verwickelt waren, schienen ebenso abgeschlossen zu sein wie der Sonderprüfauftrag „Asyl“ zum Korruptionsskandal, für den die Stadt Frechen über 650.000 Euro an eine Kölner Anwaltskanzlei überwiesen hatte.

Doch nach dem Prozess zu den Korruptionsfällen haben alle drei Angeklagten Revision gegen das Urteil eingelegt. Zudem wurden Presse und Politik E-Mails zugesandt, in denen einer der Beschuldigten schwere Vorwürfe gegen zwei seiner Vorgesetzten erhebt und Strafanzeige ankündigt.

Dabei war die Kanzlei VBB, im März 2021, in ihrem Sonderprüfauftrag zu dem Schluss gekommen, dass - über die bereits bekannten Fälle hinaus - kein weiteres strafrechtlich relevantes Verhalten der Mitarbeitenden in der Abteilung „Soziales und Wohnen“ festgestellt werden könne.

Allerdings musste Bürgermeisterin Susanne Stupp damals Dokumentationsmängel, Arbeitsfehler und unzureichende Kontrollmechanismen in der betroffenen Abteilung einräumen.

In seinen E-Mails behauptet einer der Beschuldigten jetzt, dass ein weiterer Dienstleistungsvertrag nachträglich verändert und „künstlich eine dreimonatige Kündigungsfrist eingebaut“ wurde. Der Dienstleister habe so „140.000 Euro für NICHTS“ erhalten. Er gibt zu dem an, dass er im Besitz von Sitzungsprotokollen ist, in denen die Grenzen der finanziellen Verantwortlichkeiten geregelt wurden. Diese seien während der Gerichtsverhandlungen angeblich nicht auffindbar gewesen. Seine Vorgesetzten bezichtigt er der Lüge und des Meineids.

„Die beiden sollen sich einfach dafür verantworten für das, was sie gemacht und das, was sie nicht gemacht haben! Das habe ich schließlich auch vollumfänglich getan“, erklärt der Verfasser der Wochenende-Redaktion.

Von der Politik habe er mehr kritische Nachfragen zu den Verantwortlichkeiten innerhalb der Stadtverwaltung erwartet. Der Stadtrat hätte sich, als Kontrollfunktion über die Verwaltung, mit der Frage der Vorsitzenden Richterin nach „dienstrechtlichen Konsequenzen“ für die Vorgesetzten der Angeklagten auseinandersetzen sollen. Diese seien bekanntlich bisher ausgeblieben.

„Und das obwohl sie die Verantwortlichen für den Bereich Soziales waren. Auch von der Politik kam nichts und niemand hat kritisch hinterfragt“, so der Beschuldigte.

Auf seine erhobenen Vorwürfe gegen die städtischen Mitarbeiter, angeblich unauffindbare Protokolle und nachträglich veränderte Dienstleistungsverträge angesprochen, teilt die Stadtverwaltung folgendes mit:

„Der Stadtverwaltung ist bekannt, dass ein ehemaliger Mitarbeiter, der von der Wirtschaftsstrafkammer zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden ist, Vorwürfe gegen Mitarbeitende der Stadt erhebt. Die Bürgermeisterin hat sich über den Verlauf der öffentlichen Hauptverhandlung vor dem Landgericht Köln unterrichten lassen. In der Hauptverhandlung sind sowohl die (…) getroffenen Vereinbarungen als auch die Sitzungs-Protokolle behandelt worden. Für Bürgermeisterin Susanne Stupp bestand danach keinerlei Veranlassung, an der Integrität der Mitarbeiter der Stadt Frechen zu zweifeln. An dieser Haltung ändert auch die nunmehr initiierte Kampagne des ehemaligen Mitarbeiters nichts.“

Auch die politischen Vertreter im Stadtrat verweisen auf die Unschuldsvermutung. „Die Herren müssen nicht ihre Unschuld beweisen, sondern man muss ihnen eine Schuld nachweisen. Das ist in unserem Rechtssystem richtigerweise so“, fasst Peter Singer, Fraktionsvorsitzender der Linksfraktion im Rat der Stadt Frechen, die bisher einhellige Meinung der Politik zusammen.

Befremdlich findet er es allerdings, dass „die Stadtspitze in Form der Bürgermeisterin und des 1. Beigeordneten bis heute keinerlei Information an den Rat oder zumindest die Fraktionsspitzen, über eben diese Vorwürfe (…) gegeben hat.“ Eine „umfangreiche und transparente Aufklärung und Beteiligung der Politik“ sei bisher ausgeblieben.

Ähnlich sehen es SPD, FDP und die Perspektive für Frechen. „Da die drei Verurteilten Revision gegen ihr Verfahren vor dem Oberlandesgericht beantragt haben, ist dieses noch nicht abgeschlossen und die neuen Anschuldigungen somit Prozessgegenstand“, vermutet die SPD.

„Der Rat trägt Verantwortung für unsere Stadt. In diesem Sinne werden wir Information und Transparenz einfordern, nötigenfalls mit dem Antrag auf Einberufung einer Sondersitzung“, teilt Bernhard von Rothkirch, Fraktionsvorsitzender der FDP mit.

Dieter Zander von der Perspektive geht davon aus, dass die Justiz den Sachverhalt und eventuelle Straftatbestände in dem Verfahren vollumfänglich geprüft hat. Eine Bewertung der aktuell erhobenen Vorwürfe obliege allein der Staatsanwaltschaft und bliebe abzuwarten. Sämtliche Verdachtsmomente müssten allerdings „zweifelsfrei ausgeräumt“ werden. Auch er plädiert für eine „zeitnahe Einbindung der Fraktionsspitzen sowie ein klärendes Gespräch“ mit der Verwaltungsspitze.

Den „eventuellen Wahrheitsgehalt“ der versendeten Mails möchte Karla Palussek, Fraktionsvorsitzende der CDU, ebenso wenig beurteilen, wie die Frage, ob es sich beim Verfasser überhaupt um einen der Angeklagten handelt. Sie möchte diese Arbeit der ermittelnden Staatsanwaltschaft überlassen und verzichtet auf eine weitere Stellungnahme.

„Bisher ist noch keine neue Strafanzeige gestellt worden“, erklärt Staatsanwältin Miriam Margerie auf Anfrage der Redaktion.

Während des Verfahrens sei allerdings – unter anderem auf Grund von Anzeigen eines Beschuldigten hin – durch die Staatsanwaltschaft geprüft worden, ob über den bekannten Beschuldigtenkreis hinaus ein Verdacht für strafbares Verhalten von Mitarbeitern der Stadt Frechen bestand.

„Diese Ermittlungen führten allesamt nicht zur Bejahung eines entsprechenden Tatverdachts“, so die Staatsanwältin.

Darauf angesprochen erklärt der Verfasser der kompromittierenden Mails gegenüber der Wochenende-Redaktion: „Ich warte noch auf die Protokolle der Gerichtsverhandlung, sodann kann ich die beiden Herren mit ihren Widersprüchen konfrontieren und werde Strafanzeige stellen.“

Redakteur/in:

Lars Kindermann aus Rhein-Erft

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