Keine politische Mehrheit
KVB kommt nicht!
Anfangs von der Frechener Politik parteiübergreifend gelobt, hat sich eine Mehrheit im Frechener Stadtrat gegen die Ansiedlung der Kölner Verkehrs-Betriebe AG (KVB) auf dem Gelände der ehemaligen Brikettfabrik Wachtberg ausgesprochen.
Frechen. Überraschend deutlich lehnten Mitglieder des Stadtrates am vergangenen Dienstag, in nichtöffentlicher Sitzung, die Unterzeichnung einer Absichtserklärung zum Vorhaben der KVB ab, auf dem Areal der ehemaligen Brikettfabrik Wachtberg auf 90.0000 Quadratmetern, einem Teilstück der freigewordenen Industriefläche, einen Betriebspark anzusiedeln.
Das Unternehmen beabsichtigte die Verlagerung seiner Werkstätten von der Scheidtweilerstraße in Köln nach Frechen mit insgesamt 200 Mitarbeitern.
33 Mitglieder des Rates stimmten in geheimer Abstimmung gegen die Unterzeichnung, nur 15 waren dafür, es gab eine Enthaltung.
Einen Tag vor der Abstimmung hatten Fraktionsvertreter von Bündnis90/Die Grünen (mit 9 Mitgliedern im Stadtrat vertreten), FDP (4) und LINKE (3) noch einmal ausdrücklich die Pläne der KVB begrüßt. „Wir reden hier nicht von Amazon und 450 Euro-Minijobs, sondern über 200 tariflich beschäftigte Fachkräfte“, stellte Peter Singer, Fraktionsvorsitzender der Linken, klar.
Birgit Vonester von den Grünen sah in der Ansiedlung ein „positives Signal für den dringend notwendigen Strukturwandel“ in der Region.
Auch die SPD (12) hatte die gemeinsamen Pläne von RWE und KVB anfangs „sehr positiv“ aufgenommen. „Dort wo demnächst hochwertige Arbeitsplätze durch den Kohleausstieg verloren gehen, könnten durch diese beabsichtigte Kooperation ebenso wertvolle Arbeitsplätze neu angesiedelt werden“, teilte noch vor zwei Jahren der SPD-Fraktionsvorsitzende Hans Günter Eilenberger schriftlich mit. Der Rat solle „alles tun“, um die planungsrechtlichen Voraussetzungen der Zusammenarbeit möglichst zeitnah zu unterstützen.
Der CDU-Parteivorsitzende Thomas Okos, dessen Partei mit 18 Ratsmitgliedern die größte Fraktion im Stadtrat stellt, sah damals in der geplanten Ansiedlung die Chance „Mobilitätsmotor der Region“ zu werden. „Die Standortwahl ist ein guter Antrieb für das Gelingen des Strukturwandels und Katalysator um innovative Projekte im Rhein-Erft-Kreis voranzutreiben“, so Okos damals.
Doch die politische Unterstützung der Pläne von KVB und RWE war am Ende weniger stark als zuvor medial verlautet.
Die Perspektive für Frechen sah deren Pläne bereits im Vorfeld kritisch. Durch sie würden nur sehr wenige neue Arbeitsplätze entstehen, auch die Gewerbesteuereinnahmen seien gering und die Anwohner müssten mit einer zusätzlichen Lärmbelastung rechnen, waren ihre Argumente gegen die Pläne von KVB und RWE.
„Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht, sind aber (…) zum Ergebnis gekommen, dass wir durch die KVB-Ansiedlung am Wachtberg für die Stadt Frechen keinen Mehrwert erreichen würden“, so Dieter Zander, Fraktionsvorsitzender der Perspektive, nach der Abstimmung.
„Wir setzen uns dafür ein, hier neue Arbeitsplätze, auch Industriearbeitsplätze zu schaffen“, sagt Karla Palussek, Fraktionsvorsitzende der CDU Frechen. Die Kölner Verkehrsbetriebe hätten aber lediglich 200 Arbeitsplätze von Köln nach Frechen verlagert, begründet sie ihre Entscheidung gegen die Pläne der KVB.
Thomas Okos, NRW-Landtagsabgeordneter und Parteivorsitzender der CDU Frechen, erklärt sein Umdenken wie folgt: „Bis zuletzt gab es keine klaren Aussagen und verbindliche Zusagen der KVB, die im Sinne der Bürgerinnen und Bürger der Stadt gewesen wären: weder zu Gewerbesteuereinnahmen, um die
soziale Infrastruktur aufrecht zu halten, noch an einer signifikanten Anzahl neu
geschaffener Arbeitsplätze.“
„Wir bedauern die Entscheidung der Frechener Politik gegen den Ansiedlungswunsch der KVB sehr“, sagt Guido Steffen, Pressesprecher der RWE Power AG. Die Ansiedlung des Technologie- und Betriebsparks der KVB wäre ein „erster, bedeutender Schritt“ in der Umwandlung des Standorts gewesen und hätte sicherlich ein neues Kapitel der Frechener Wirtschaftsentwicklung aufgeschlagen.
Aufgabe der RWE Power AG wird weiterhin sein, für das Areal Wachtberg eine Nachfolgenutzung zu entwickeln, die Verwaltung und Politik langfristig und nicht nur medial begrüßen.
„Aus Sicht der KVB hätte die Ansiedlung die Chance geboten, eine zukunftsweisende Perspektive für den Strukturwandel mit sicheren, qualifizierten Arbeitsplätzen und eine klimafreundliche, umweltschonende Mobilität in der Region zu realisieren“, teilt Matthias Pesch, Leiter der Unternehmenskommunikation bei den Kölner Verkehrsbetrieben, mit.
Die KVB müsse jetzt nach Möglichkeiten suchen, ihren Flächenbedarf an anderer Stelle zu realisieren, um die politisch gewollte Verkehrswende voranzutreiben.
Nils von Pein, CO-Vorsitzender der grünen Ratsfraktion, kann die ablehnende Haltung gegenüber der KVB nicht nachvollziehen: „Hochwertige Arbeitsplätze hätten durch die KVB-Ansiedlung nach Frechen geholt werden können. Darüber hinaus stand eine dreistellige Zahl neuer, zukunftssichere Arbeitsplätze in Aussicht.“
Nach Meinung der Grünen habe man eine Chance für die Verkehrswende vertan. „Durch die am Wachtberg bereits vorhandene Anbindung an das Schienennetz hätten sich auch für die Stadt Frechen Möglichkeiten ergeben, ihr ÖPNV-Angebot auszubauen, etwa durch Taktverdichtung auf der Linie 7. Als Standort einer Hauptwerkstatt wären auch die Einflussmöglichkeiten der Stadt auf den ÖPNV in der Region dauerhaft gestärkt worden“, geben die Grünen zu bedenken.
„Kurzfristiges Denken und die Fokussierung auf die Gewerbesteuer haben dazu geführt, dass eine große Mehrheit im Frechener Rat die Ansiedlung abgelehnt hat“, ist der FDP-Partei- und Fraktionsvorsitzende Bernhard von Rothkirch überzeugt. „Die KVB wäre mit Sicherheit ein Magnet für weitere Unternehmen, ein Eisbrecher, der Schwung in die Vermarktung des Wachtberg hätte bringen können“, so von Rothkirch weiter
Konkret wäre es um 250 hochwertige Arbeitsplätze, 25 Ausbildungsplätze und lediglich einem Fünftel der Wachtberg-Fläche gegangen. „Wir sind davon überzeugt, dass hier leichtfertig eine Riesenchance vertan wurde. Jetzt haben wir Strukturstillstand statt Strukturwandel“, ärgert sich die FDP. Jetzt müsse die Frechener Wirtschaftsförderung liefern und einen der „zahlreichen Interessenten“ nennen, die sich angeblich bei ihr gemeldet hätten.
Ebenfalls deutliche Worte findet Peter Singer von den Linken: „Mit CDU und SPD ist ein Strukturwandel in Frechen nicht zu machen!“, schreibt er. „Was in der Sitzung von einigen Ratskollegen aus CDU und SPD an hanebüchenen, von keinerlei Sachkenntnis getrübten Argumenten gegen die KVB-Ansiedlung vorgebracht wurde, macht mich fassungslos“, so Singer weiter.
Äußerungen wie „Die KVB ist ein unzuverlässiger Partner, da die Bahnen ja meist verspätet kommen!“ sollen, so Singer, im Vorfeld gefallen sein.
Nach „vergeblichen, größtenteils teils untauglichen Versuchen“ im Revier, industriellen Strukturwandel auf die Beine zu stellen, sei eine Riesenchance leichtfertig vertan worden.
„Frechen gehört im Prozess des Braunkohleausstiegs mit zu den allerersten Kommunen, die ganz praktisch erste Auswirkungen von Arbeitsplatzverlusten zu verzeichnen haben. Mit der Einstellung der Brikettierung am Wachtberg hat Frechen zum 31. Dezember des vergangenen Jahres 500 Arbeitsplätze verloren“, erklärt die Stadt.
Redakteur/in:Lars Kindermann aus Rhein-Erft |
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